Staub zu Staub. Joachim Rönnepers Staubmuseum

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Lange bevor Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung den Staub als ein umfassend wichtiges Thema entdeckte, tat dies der Kölner Konzeptkünstler Joachim Rönneper. Und zwar wollte er dem kulturellen und künstlerischen Gehalt von Staub auf den Grund gehen: Seit Ende der 1980er Jahre schrieb er deswegen 3.240 europäische Museen an und bat sie um eine Probe Staub von ihren Beständen sowie eine Expertise dazu. Tatsächlich folgten 384 Museen diesem skurrilen Begehren – die meisten reagierten mit angemessenem Humor darauf. Nachdem der mehrfache Documenta-Chef Schneckenburger ihm 2019 eine Staubprobe vom oberen Rahmenrand des Gerhard-Richter-Bildes „Seestück 1969“ schickte, schloss Rönneper seine Sammlung ab und steckte die Proben in durchnummerierte Glasfläschchen. Jetzt ist der Katalog zu dieser Sammlung erschienen.

 (J.S. Bach) Die Pfeife stammt von Ton und Erde/Auch ich bin gleichfalls draus gemacht. /Auch ich muss einst zur Erde werden/Sie fällt und bricht, eh ihr’s gedacht, /Mir oftmals in der Hand entzwei, /Mein Schicksal ist auch einerlei.

Dass alles zu Staub werde, war die Hauptsorge des Barock. Selbst seine Tabakspfeife wird Johann Sebastian Bach zum christlichen Sinnbild der Sterblichkeit.

(Joachim Rönneper) Ich bin sehr katholisch erzogen worden, ich habe katholische Religion studiert. Natürlich: Staub zu Staub, Asche zu Asche.

Joachim Rönneper, Kölner Konzeptkünstler.

(Joachim Rönneper) Das war natürlich eine Grundüberlegung: Die Vergänglichkeit vor Augen führen, Memento Mori, Vanitas, Endlichkeit und Zeitlichkeit werden symbolisiert durch Staub, und das in geballter Form von größtenteils Museen.

Museen? Na klar, der profane Ort der Vergänglichkeit, Aufbewahrungsort des Vergangen. Und auf ewig auch mit dem Ruf des Verstaubten behaftet…

(Joachim Rönneper) Und Museen als Nobeleinrichtungen unserer Kulturverständnisses, wie die auf Staub reagieren ist doch mal hochinteressant: Kann man Kultur über Staub definieren? Die Fallhöhe von intellektuellem Anspruch eines Museums und die Niedrigkeit und Billigkeit und vermeintliche Unwichtigkeit von Staub in Beziehung zu setzen, eröffnet die Möglichkeit für eine sehr humorvolle Art zu antworten.

Das nämlich war vor dreißig Jahren Rönnepers Idee: Museen anzuschreiben und um eine Probe Staub aus ihren Beständen zu bitten, – sei es vom Rahmen eines Gemäldes oder vom Haupt einer Skulptur.

(Joachim Rönneper) In der Form hatte ich Staub erstmalig – von der Fundstelle her – zum Kunstobjekt erhoben. Ganz in der Tradition von Marcel Duchamp als Readymade, als Spurensicherung, dass also die einfache Wollmaus, ich sag mal aus dem Buckingham-Palast auf einen Sockel gestellt bzw. hinter Glas mit Brief, sozusagen als Kunstwerk dasteht.

3.240 europäische Museen schrieb er an und bat sie neben der Probe Staub auch um eine Expertise zum Thema. Die des Musée Africain in Lyon lautete:

Ihnen einige Körnchen Staub zur Verfügung zu stellen, würde von unsrer Seite bezeugen, dass unser Museum ganz besonders schmuddelig ist. Wir besitzen nicht einmal einen Teppich zum Hochheben, der es uns ermöglichen würde, Ihrer Leidenschaft nachzukommen.

(Joachim Rönneper) Manche wollten mich eigentlich in die Krankenanstalt verweisen. Aber das sind ja alles Beiträge, die die Problematik sozusagen nur verdeutlichen: Am Staub scheiden sich die Geister, im Staub nicht mehr.

Das Musée des Beaux Arts in Caen schrieb dagegen sehr poesievoll:

Es ist nämlich so, dass unsere Klimaanlage die Umverteilung dieser von Ihnen so geschätzten Partikelchen begünstigt. Deren Lebenskraft konnten wir zwischen 16.00 und 16.30 Uhr ausfindig machen, als ein Lichtstrahl sich zum Sterben auf dem Boden des Saals unsere flämischen Sammlungen niederließ. Bei dieser Gelegenheit war es uns möglich, die Probe zu entnehmen.

(RIN Sternenstaub) Da, wo ich herkomm/Alles blau und wir driften im Leerlauf/So hoch, Kometen und Sternenstaub/Fliegen one-way durchs Universum.

Immerhin 384 Staubproben hat Rönneper zurückbekommen. Die meisten Museen reagierten so humorvoll, wie es der leicht schrägen Idee angemessen ist. Der Kurator des Museums Gladbeck beispielsweise stieg in den Keller, strich einer bronzenen Hitler-Büste über den Kopf, mischte den so erhaltenen Staub mit dem, den er auf einem Band des altgriechischen Dichters Pindar fand und wünschte dem „Gesamtkunstwerk“ reichhaltige Resonanz.

Jetzt befindet sich die Proben nebst den entsprechenden Expertisen in einem der 384 sechseinhalb Zentimeter hohen Glasfläschchen in Rönnepers Sammlung, einer Art Setzkasten.

(Joachim Rönneper) Die Präsentationsform der jetzigen Staubsammlung ist ja ein Kunstobjekt: Staub an sich zum Kunstwerk zu erheben, ist sozusagen mein Alleinstellungsmerkmal (lacht) in der Vorstellung von Staub und Kunst.

(RIN Sternenstaub) Da, wo ich herkomm/Alles blau und wir driften im Leerlauf/So hoch, Kometen und Sternenstaub/Fliegen one-way durchs Universum.

WDR3 Mosaik, 7. März 2025