Jacques Prévert zum 125. Geburtstag

Veröffentlicht in: Allgemein, Essays & Kommentare | 0

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-scala-aktuelle-kultur/audio-jacques-prevert-zum–geburtstag-100.html

Heute, am 4. Februar, jährt sich der Geburtstag des französischen Dichters und Drehbuchautors Jacques Prévert zum 125. Mal. In Frankreich ist er zumindest noch in den Schulbüchern präsent, bei uns hört man ab und zu noch sein berühmtestes Chanson „Les feuilles mortes“ bzw. dessen amerikanische Version „Autumn leaves“. – Ich habe mich in Paris auf dem Montmartre auf seine Spuren gemacht.

(Jacques Prévert) Dans les grandes eaux de ma mère/je suis né en hiver/une nuit de février. /Des mois avant/en plein printemps/il y a eu/un feu d’artifice entre mes parents/c’était le soleil de la vie/et moi déjà j’étais dedans/Ils m’ont versé le sang dans le corps/c’était le vin d’une source/et pas celui d’une cave. /Et moi aussi un jour/comme eux je m’en irai.

In den großen Wassern meiner Mutter/bin winters ich geboren/in einer Februarnacht. – Monate vorher/mitten im Frühling/haben meine Eltern/ein großes Feuerwerk entfacht/es war die Sonne meines Lebens/und ich war schon darin/Sie haben Blut in meinen Leib geschöpft/Wein aus der Quelle/der keinen Keller je gesehn‘. – Und eines Tages werd‘ auch ich/wie sie von dannen gehn‘.

So klingt es, wenn der Dichter sich selbst ein Geburtstagsgedicht schreibt und es „Fête“, also „Fest“, nennt – kongenial frei übersetzt von Kurt Kusenberg. – Am Boulevard de Clichy, ein paar Schritte neben dem Cabaret Moulin Rouge, gibt es heute noch die Wohnung, in der Jacques Prévert bis 1971 lebte und arbeitete. Betritt man sie, öffnet sich das Fenster zu einer Zeit, die irgendwie fortgeweht scheint wie das Herbstlaub in seinem berühmtesten Chanson „Les feuilles Mortes“. – Alles ist hier genauso wie damals, an den Wänden hängen noch die Porträts von ihm, gezeichnet von Künstler-Freunden wie Pablo Picasso. Durch die Wohnung führt Eugénie Bachelot-Prévert, die Enkelin des Dichters.

(Eugénie Bachelot-Prévert) On est dans une maison qui ressemble à une maison de la méditerranée qu’on peut retrouver á Ibiza ou en Grèce donc, les murs à la chaux, tout est blanc. C’est vraiment on est dans, voilà que… disons que l’architecture populaire en fait de Jacques Couëlle. Et avant de venir s’installer ici, mon grand-père s’est installé en 55, avant il habitait à Saint-Paul-de-Vence dans le sud de la France. – Et a vous avez une très grande terrasse, donc c’est comme un pavillon, comme une maison qui serait de pleins pieds sur une terrasse, gigantesque terrasse – je ne sais même pas combien de mètres carrés elle fait, elle doit peut-être faire presque 1.000 mètres carrés…

Die Wohnung erinnert an mediterrane Häuser, wie man sie auf Ibiza oder in Griechenland findet: Die Wände sind gekalkt, alles ist weiß. Ein Werk des Architekten Jacques Couëlle. Bevor er 1955 hier einzog, lebte mein Großvater nämlich in Südfrankreich, in Saint-Paul-de-Vence. – Außerdem geht es von hier direkt auf eine riesige Terrasse, die wie ein Pavillon funktioniert, – eine wahrhaft gigantische Terrasse von über tausend Quadratmetern.

Eugénie Bachelot-Prévert hütet die von den Eigentümern des „Moulin Rouge“ angemietete Wohnung und möchte eines Tages einmal eine Art Museum daraus machen. Denn die dazugehörige Terrasse ist ein Stück Pariser und auch französischer Kulturgeschichte. Prévert teilte sich ihre Nutzung mit seinem Freund, dem eine Etage über ihm wohnenden Musiker und Dichter Boris Vian. In den 1950er und 60er Jahren war sie der Mittelpunkt der Pariser Künstler- Cineasten- und Dichter Szene. – Hier, unter den Flügeln der Mühle des Cabarets „Moulin Rouge“, machte man dem damals überaus populären Drehbuchautoren und Dichter den Hof. Seine vor Witz sprühenden, mit Wortspielen und surrealistischen Assoziationen gespickten Gedichte und Chansons hatten eindeutige Botschaften und eine so klare und einfache Sprache, dass sie damals schon in die Schulbücher wanderten. Sie trafen den Geist der Zeit – und der war anti-klerikal und anti-bourgeois, also links.

(Jacques Prévert) Comment voulez-vous que moi je n’ai pas de préférence pour la gauche puisque le mot la gauche ça veut dire qu’on ne sait pas comment faire : c’est gauche. La droite est rusée et moi j’aime mieux l’absence de ruse. J’aime la gauche, c’est la main d’ouvrier, c’est celle qui fait plus même si on n’est pas gaucher. 

Wie kann man von mir erwarten, dass ich keine Vorliebe für die Linke habe? Denn „links“ bedeutet, dass man nicht weiß, wie man es macht. „Rechts“ dagegen bedeutet „List“ und ich bevorzuge die Abwesenheit von List. Ich liebe die Linke, weil sie die Hand des Arbeiters ist und die leistet mehr, auch wenn man kein Linkshänder ist.

(Eugénie Bachelot-Prévert) Donc je pense que finalement on ne le connait pas si bien. Il est devenu un peu peut-être comme un cliché. Le cliché de l’homme à la cigarette mais bon il avait vraiment énormément de choses à faire. Ce qui est super intéressant comme à l’expo du Musée Montmartre.

Heute kenne man ihn nicht mehr sehr gut, beziehungsweise sei er zu dem Klischee des Dichters mit der ewigen Zigarette im Mund geworden, sagt die Enkelin Eugénie. Dabei habe er eine ganze Menge mehr gemacht als Gedichte zu schreiben. Und deshalb sei die Ausstellung oben im Musée de Montmartre so interessant.

(Peter Kropmanns) Man kennt ihn in der ganzen Welt durch Gedichte, durch Chansons, die nach Texten von ihm vertont worden sind.

Der Kunsthistoriker Peter Kropmanns über die von Eugénie Bachelot-Prévert kuratierten Ausstellung im Musée de Montmartre, die sein umfassendes Werk als Drehbuchautor – aber auch als bildender Künstler dokumentiert.

(Peter Kropmanns) Aber dass er selbst so intensiv – eben durch den Umgang mit den Surrealisten, die ihn sehr geprägt haben, aber dann auch mit den Künstlern der Avantgarde – dazu gehören Picasso, dazu gehört Max Ernst, Chagall, Calder, Miro, Braque – dass er da sich auch gewagt hat, ein eigenes Werk anzugehen, das ist schon sehr überraschend.

Die Schau offenbart eine tatsächlich überraschende Seite des Dichters und Drehbuchautors Préverts: Sie zeigt an die hundert immer noch surrealistisch anmutende Collagen von ihm – mit meist sehr politischem Inhalt. Außerdem werden hier seine von ihm illustrierten Drehbuchentwürfe für Filme wie „Die Kinder des Olymp“ gezeigt.

(Peter Kropmanns) Von der formalen Seite her ist das sehr interessant schon., das weist zurück auf Max Klinger, auf Max Ernst: Das Zusammenschneiden von bestimmten Illustrationen.  Und da hat er mit der Zeit ein sehr umfangreiches Werk geschaffen. – Es ist doch wirklich jemand, den man noch entdecken kann.

Wer also in den nächsten 14 Tagen zufällig in Paris ist, sollte sich diese Ausstellung unbedingt ansehen. Und auch sonst: Ein Gang durch die verwinkelten, steilen Gassen des Montmartre hinauf ins verträumt gelegene Musée de Montmartre lohnt sich – immer wieder.

WDR5 Scala 4. Februar 2025