Pascal Garnier. Zu nah am Abgrund. Aus dem Französischen von Felix Mayer. Septime Verlag. 140 Seiten. 20 Euro
http://www.septime-verlag.at/Buecher/buch_zu_nah_am_abgrund.html
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/buecher/krimi-check/garnier-zu-nah-am-abgrund-100.html
Man ist der Krimis allmählich überdrüssig, weil sie erstens durchs Fernsehen in einer so überwältigenden Masse auf uns losgelassen werden, dass man das Interesse daran verlieren muss. Und weil sie zweitens in aller Regel alle nach dem gleichen einförmigen Muster gestrickt sind, nach dem des klassischen Who-done-it nämlich. – Das ist etwas, wofür der französische Autor Pascal Garnier (1949-2010) absolut nicht steht. Er schreibt rasante Thriller, in denen es weder Privatdetektive noch Polizisten gibt, holt seine Geschichten aus der Tristesse eines Alltags, in der Gewalt und Verbrechen zwangsläufig entstehen müssen. Dem kleinen Wiener Verlag Septime ist zu verdanken, diesen bemerkenswerten Autor fürs deutschsprachige Publikum entdeckt zu haben.
Éliette ist mit 64 noch sehr attraktiv. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich in ihrem Ferienhaus an der Ardèche niedergelassen. Zum benachbarten Bauernehepaar pflegt sie freundschaftliche Beziehungen, ihre erwachsenen Kinder besuchen sie zu den Feiertagen. Ihr geht es gut. Doch sehnt sie sich manchmal nach Zärtlichkeit und Liebe.
Der begegnet sie eines Tages in Gestalt des charmanten Kleinganoven Étienne, der in der Nähe eine Panne hatte. Éliette lädt ihn ein zu bleiben, bis sein Auto repariert ist. Doch am nächsten Tag taucht plötzlich Étiennes ausgeflippte Tochter Agnès auf. Und die trägt zwei Kilogramm gestohlenes Kokain in ihrer Handtasche. Eine gewaltsame Wende der Liebesgeschichte scheint programmiert.
Doch die Gewalt kommt unerwartet von ganz anderer Seite. Der benachbarte Bauer Paul ist schon lange scharf auf Éliette, kochend eifersüchtig stürmt er mit einem Gewehr ins Haus, schlägt Étienne nieder und versucht, Éliette zu vergewaltigen. – Die Kunst des Krimi-Autors Pascal Garnier besteht darin, Spannung ganz, ganz langsam und aus einer vermeintlichen Idylle heraus aufzubauen.
Dem Verlagsetikett „noir“-Autor ist er aber ebenso verpflichtet. Und so legt er einen Gewalt-gesättigten Thriller vor, in dem es weder Polizisten noch Detektive gibt, noch Gut und Böse, und der selbstverständlich auch kein Happy End hat. Aber gerade das alles macht ihn zu einer berauschenden Lektüre.
Radiobeitrag in WDR5 Bücher vom 21. und 22. September 2024 (©Peter Meisenberg und WDR5)