Superblocks in NRW

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https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-mosaik/audio-superblocks-verkehrswende-im-kleinen-100.html

Heute, am 16. September, beginnt jetzt nun schon zum 22. Mal die „Europäische Mobilitätswoche“: Seit 2002 wirbt diese Kampagne der Europäischen Kommission dafür, den „Straßenraum gemeinsam zu nutzen“. Das ist auch das Motto der diesjährigen, bis zum 22. September dauernden „Mobilitätswoche“. In dieser Woche wird überall in den Europäischen Kommunen für eine „nachhaltige Mobilität vor Ort“ geworben. Dabei werden innovative Verkehrslösungen vorgestellt, kreative Ideen, wie beispielsweise Parkplätze und Straßenraum umgenutzt werden können. – Dieselbe Idee hat die Bewegung der sogenannten „Superblocks“, die seit dem 2017 von dem spanischen Umweltplaner Salvador Ruedo in Barcelona konzipierten „Superilles“ funktionieren sollen: Die Nachbarschaft mehrerer Häuserblocks schließt sich zu einer Bürgerinitiative zusammen, die den Individualverkehr durch sogenannte Modalfilter (Barrieren wie Poller etc.) einhegen und dadurch eine neue nachbarschaftliche Bewirtschaftung erreichen und so auch zur Klimaneutralität des Quartiers beitragen will. – Nach Berlin gibt es nun in mehreren NRW-Städten – Dortmund, Essen, Köln – Initiativen für solche „Superblocks“. In Köln sind daraus zwei „Superblocks“ entstanden und schon recht erfolgreich. 

(Alina Stöteknuel) Hier in Dortmund ist es speziell in unserem Wohnviertel der Fall, dass wir direkt an der B1 liegen, d.h. wenn es an der B1 voll ist, dann werden dann einfach die Wohnviertel benutzt, um ein bisschen schneller voranzukommen.

Alina Stöteknuel ist die Initiatorin des Dortmunder Superblocks „Saarlandstraße Ost“, der sich um das Quartier rund um Landgrafen- und Markrafenstraße kümmert. Eigentlich ein ruhiges, grünes, reines Wohnviertel Stadtviertel, – wäre da nicht der Durchgangsverkehr…

(Alina Stöteknuel) Das wäre ja auch so ein bisschen ein Ziel des Superblocks, dass man natürlich nicht den Verkehr komplett unterbindet, auch nicht den Autoverkehr komplett unterbindet, aber dass man speziell den Autoverkehr auf Straßen umlenkt, die dann Hauptverkehrsstraßen sind. – Diese Kreuzung wäre ein Beispiel dafür, dass man hier also mit Pöllern so die Kreuzung sperrt, dass der Autoverkehr abgelenkt wird. D.h. wenn ich in diesen Teil des Viertels möchte, dann fahr ich hier rum. Das bedeutet, ich kann mit dem Auto hier nicht mehr einfach durch.

Ortswechsel: Die Idylle im Kölner Stadtgarten, dem ältesten und größten innerstädtischen Park Kölns trügt…

(Iris Pinkepank) Der Park ist für uns ein ganz wichtiger Punkt; weil nicht nur das Wohnviertel hier leidet unter den Klimaveränderungen, sondern der Park auch. Im letzten Jahr sind über 30 Bäume umgefallen, weil sie dem Wind und der Trockenheit nicht mehr standgehaltem haben.

Iris Pinkepank vom Kölner Superblock Stadtgarten-Veedel.

(Iris Pinkepank) Der Park ist vor 150 Jahren etabliert worden und da gab es ganz andere Anforderungen. Heute muss man viel mehr darüber nachdenken: Der Nutzungsdruck hat sich erhöht, durch die wärmeren Temperaturen gehen mehr Leute raus. Und insofern bewegt uns das: Wie kann man diesen Park enkeltauglich machen?

Gleich gegenüber dem Park steht die evangelische Christus-Kirche und dazwischen bietet ein öffentlicher Parkplatz mit 60 Stellplätzen auf einer versiegelten Fläche einen ernüchternd-tristen Anblick.

(Iris Pinkepank) Wir möchten gerne herausfinden, wenn dieser Platz entsiegelt wird im Sinne der Klimaanpassungsmaßnahmen, was dann hierauf geschehen kann, was dann die Menschen, die hier wohnen, gerne hätten, was hier passiert. Und dafür engagieren wir uns auch, um das mit denen gemeinsam herauszufinden.

Die Idee ist nicht neu, sagt Christoph Rollbühler, Pfarrer der Christus-Kirche und Mitglied beim Superblock Stadtgarten-Veedel: 

(Christoph Rollbühler) Als wir die Kirche neu gebaut haben, hatten wir schon Diskussionen mit der Stadt: Gibt es eine Veedelsgarage, damit wir diesen Platz mit dem Parkplatz leerräumen können, aber das wollte die Stadt damals nicht. – Dass jetzt durch den Verein, durch eine gesellschaftspolitische Entwicklung wir dahin kommen, dass der Parkplatz in Frage steht, das ist ein großer Segen für uns, weil damit könnte das ganze Veedel aufgewertet werden. 

Dem Superblock Stadtgarten-Veedel geht es allerdings nicht nur um den Stadtgarten und den Parkplatz, sondern – ebenso wie dem in Dortmund und vielen anderen Superblocks in NRW – zum einen um eine grundlegende Verkehrsberuhigung des kompletten Viertels.

(Iris Pinkepank) Es geht nicht darum, die Autofahrer wegzubeamen oder so, sondern es geht darum, dass in diesem Viertel keine Durchgangsstraße mehr gibt, dass der Durchgangsverkehr erstmal wegfällt.

Zum anderen geht es darum, den auf dem Parkplatz frei werdenden Raum zu einem Ort nachbarschaftlicher Begegnung zu machen.

(Iris Pinkepank) Die Nachbarschaft ist sehr, sehr wichtig. Wir sind hier in einem sehr anonymen Viertel. Die Leute kommen hierher zum Schlafen und zum Arbeiten.

Die Folge davon kann Einsamkeit sein. Ein immer häufiges auftretendes Problem in allen Industrieländern. Ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Einsamkeit sind eben solche Orte, an denen Menschen sich begegnen.

(Iris Pinkepank) Seitdem wir den Verein gegründet haben und immer mehr Mitglieder in unseren Verein kommen, ist so ein richtiger Wind durch das Viertel gegangen. Wenn man also auf die Straße geht, das trifft man also auf einmal Nachbarinnen und Nachbarn.

Vor zehn Tagen, am 6. September, hat die Kölner Bezirksvertretung Innenstadt die Umsetzung des Superblocks Stadtgarten-Veedel und noch eines weiteren Kölner Superblocks, des Winzer-Veedels, beschlossen. – In Dortmund sind derweil einige Nachbarn zu Alina Stöteknuels Initiative gestoßen. Auch im Viertel Saarlandstraße wird also in Zukunft ein „Superblock“ Einfluss auf die menschenfreundliche Gestaltung des Straßenraums nehmen.

Radiobeitrag im WDR3 Mosaik vom 17. September 2024 (©Peter Meisenberg und WDR3)