Die Fördergeldaffäre

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Heute um acht Uhr wird sich in Sitzungssaal 4.400 des Paul-Löbe-Haus neben dem Reichstagsgebäude Bundbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor einem Untersuchungsausschuss verantworten müssen. Der Grund dafür ist der Verdacht, dass sie an einem sogenannten „Prüfauftrag“ gegen Hochschul-Lehrende der FU Berlin doch stärker beteiligt war, als sie bisher zugeben will. Mit diesem „Prüfauftrag“ sollte die staatliche Förderung von Forschungsaufträgen von der Gesinnung der Forscher abhängig gemacht werden. Also statt demokratischer Kontrolle die Mittel einer Gesinnungsdiktatur angewandt werden.

Der Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Mittel der parlamentarischen Kontrolle der Regierung: Durch ihn kann der Souverän jederzeit die Rechtmäßigkeit, d.h. die demokratische Legitimation des Regierungshandelns prüfen und gegebenenfalls korrigieren. Wenn also gleich Bettina Stark-Watzinger nun schon zum zweiten Mal vor einem solchen Untersuchungsausschuss zitiert wird, deutet das darauf hin, dass ihr Regierungshandeln demokratisch nicht so ganz einwandfrei war.

Darauf weist aber auch schon der bisherige Verlauf der Mitte Mai beginnenden sogenannten Fördergeldaffäre hin, zumindest darauf, dass die Ministerin bisher möglicherweise nicht die Wahrheit sagte. – Der Fall: Am 7. Mai hatten 350 Lehrende der Freien Universität Berlin in einem Offenen Brief gegen die polizeiliche Räumung einer Versammlung auf dem Campus protestiert. Geräumt wurde, weil die Teilnehmer sich propalästinensisch geäußert hatten. Die Dozenten aber sahen durch die Räumung das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Noch am gleichen Tag erklärte Bettina Stark-Watzinger ausgerechnet der BILD-Zeitung, der Offene Brief mache sie „fassungslos“: Gerade Professoren und Dozenten müssten „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.“ – Wenige Tage später kursierten in ihrem Bundesbildungsministerium verschiedenen Mails und Telefonate mit der Aufforderung, eine Liste der Dozenten zu erstellen, die den Offenen Brief unterschrieben hatten, ergänzt durch einen Prüfauftrag, diesen Brief „einmal verfassungsrechtlich einordnen zu lassen“ und ebenfalls zu prüfen, ob den Unterzeichnern staatliche Fördergelder eventuell gestrichen werden könnten.

Ein hoch brisanter Schwelbrand war damit entfacht, der eher nach repressiver Gesinnungsdiktatur roch statt nach Demokratie. Deswegen versuchte die Ministerin, diesen Brand auch rasch einzudämmen: Die Mails und Telefonprotokolle verschwanden, jedenfalls die mit der Androhung des Fördergeld-Stops. Und die Ministerin selbst wollte von diesem Telefon- und Schriftverkehr in ihrem eigenen Haus nichts oder sehr spät erst erfahren haben.

Sehr schnell dagegen wurde aber die vermeintliche Urheberin des entsprechenden „Prüfauftrags“ ausgemacht und postwendend von der Ministerin entlassen, die Staatssekretärin Sabine Döring. Frau Döring wollte sich dazu schon beim ersten Untersuchungsausschuss Ende Juni selbst äußern, doch weigerte sich die Ministerin damals wie auch im heutigen Ausschuss, sie von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.

Alles spricht also für die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses in dieser Angelegenheit. – In aller Regel sind Untersuchungsausschüsse eine Waffe der Opposition, die sich darin gern auf die Anklagebank gegen die Regierung setzt. In einer halben Stunde aber werden auch einige Koalitionspartner der Ministerin mit auf dieser Anklagebank sitzen und sehr kritische Fragen an sie richten. Das ist nicht nur ein Fortschritt in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse, sondern vor allem ein Beweis für eine wachsende demokratische Wachsamkeit. 75 Jahre Grundgesetz scheinen also gewirkt zu haben.

WDR3 Mosaik 10. September 2024