Karina Urbach: Das Haus am Gordon Place. Kriminalroman. Limes. 383 Seiten. 18 Euro.
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Wer weiß, dass der Drehbuchautor des berühmten Films „Der dritte Mann“ Graham Greene war und der während und nach dem 2. Weltkrieg ein hauptberuflicher Agent des britischen Geheimdienstes, ahnt, dass „Der dritte Mann“ einen geheimdienstlichen Hintergrund haben könnte. Aus dieser Ahnung macht die Historikerin und Roman-Autorin Karin Urbach Gewissheit: Die Dreharbeiten zum 1949 produzierten „Dritten Mann“ waren höchstwahrscheinlich ein „Cover“ für eine Aktion des britischen MI6: Unter dem Vorwand, auf dem Wiener Prater drehen zu wollen – die berühmte Szene mit Orson Welles auf dem Riesenrad! – gelangte man unauffällig in den damaligen sowjetischen Sektor der Stadt. – So kann die Autorin sehr nah an den historischen Fakten eine Schlüsselszene ihres Romans genau in die Dreharbeiten auf dem Prater platzieren.
Welche Geschichte seine Wohnung in einer Londoner Luxusimmobilie hat, erfährt Professor Hunt erst, als darin in seiner Abwesenheit einer seiner Nachbarn ermordet wird. Dass ausgerechnet eine Agentin des britischen Geheimdienstes die Ermittlungen leitet und ihn als Historiker um Mitarbeit bittet, hätte ihn schon misstrauisch machen können: Hier hat der MI6 seine Finger im Spiel.
Entsprechend kompliziert sind Professor Hunts Recherchen. Es ist schon nicht einfach herauszufinden, dass sowohl die Vorbesitzerin seiner Wohnung als auch drei der übrigen Bewohner der Immobilie als Agenten des MI6 im Jahr 1949 in Wien eingesetzt waren. Aber dass diese vier Ex-Agenten außerdem ein gemeinsam in dieser Zeit begangener Diebstahl verbindet, erfordert Hunts ganzes historisches Fingerspitzengefühl.
Die aus Düsseldorf stammende habilitierte Historikerin Karina Urbach legt mit ihrem Roman eine gelungene gelungenen Mischung aus Krimi und historischem Agenten-Thriller vor. Auf zwei Ebenen erzählt sie eine außerordentlich spannende Geschichte: Auf der in der Gegenwart spielenden Krimi-Ebene entfaltet sich ein raffiniertes Versteckspiel zwischen Professor Hunt und der die Ermittlungen leitenden MI6 Agentin, während die parallel erzählte historische Ebene mit einem nervenaufreibenden Agenten-Drama aufwartet.
Das Tüpfelchen auf dem i des Agenten-Strangs ist seine Verknüpfung mit dem 1949 entstandenen Film „Der dritte Mann“. Die Tatsache, dass alle daran Beteiligten damals dem MI6 sehr nahestanden, nutzt die Autorin, um die spannendste Szene ihres Romans in dessen Dreharbeiten auf dem Wiener Prater zu platzieren. – Allein das macht „Das Haus am Gordon Place“ zu einem Muss für alle Fans des historischen Thrillers.
WDR 5, Bücher 6. und 7. April 2024