Die Forderung, dass der Staat demokratisches Bewusstsein fördern soll, ist nicht erst eine Reaktion auf die in der letzten Zeit dramatisch gestiegene Zustimmung zu autoritären und rechtsextremen Positionen. Bereits die letzte Große Koalition plante ein Demokratieförderungsgesetz. Es scheiterte an der CDU, die verlangte, dass geförderte Initiativen ein „Bekenntnis“ zum Grundgesetz ablegen sollten. Die jetzige Ampelkoalition versucht es erneut mit einem „Demokratieförderungsgesetz“. Doch steckt das Gesetzesvorhaben nach der ersten Lesung im vergangenen Frühjahr fest. In dieser Woche wird im Bundestag erneut darüber diskutiert.
Dass ein demokratischer Staat alles daransetzen sollte, die Demokratie zu schützen, steht außer Frage. Zumal in einer Zeit, in der vieles darauf hindeutet, dass das Demokratieverständnis hierzulande bröckelt und autoritäres Denken immer mehr Platz greift. Aber kann der Staat diese Entwicklung durch ein Gesetz korrigieren? Lässt sich das demokratische Bewusstsein in der Bevölkerung per Verordnung befördern? Eine Mehrheit in der jetzigen Regierung glaubt das und hat einen Gesetzesentwurf zur „Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung“ vorgelegt.
Dieses Gesetz will, so heißt es im Entwurf, vor allem zivilgesellschaftliches Engagement im Bereich der Demokratieförderung und Extremismusprävention fördern. Langfristig finanziert werden sollen deshalb insbesondere (Zitat) „Selbstorganisationen und Betroffenengruppen im Sinne der Selbstbefähigung, Selbstermächtigung und Selbstbestimmung sowie Maßnahmen zum Schutz vor Angriffen auf Engagierte“. In dieser Auswahl tritt ein fast ausschließlich defensives Demokratieverständnis zutage. Denn gemeint sind offensichtlich vor allem Gruppen, die sich der Abwehr rassistischer und rechtsextremer Kräfte verschrieben haben.
Nicht zuletzt deswegen sträuben sich die CDU und auch die FDP vehement gegen das Gesetzesvorhaben. Sie kritisieren, dass das Gesetz vor allem dazu diene, Geld an ans linke und grüne „Milieu“ zu verteilen. Es sei ein Instrument „grüner Moralisierung“. Nicht der Schutz der Demokratie sei Zweck des Gesetzes, glaubt z.B. Wolfgang Kubicki, sondern bloß „eigene Machtpolitik“. – Statt die demokratisch gesinnten Parteien in der Abwehr gegen die Bedrohung der Demokratie zu vereinen, wird das Gesetzesvorhaben im ideologischen Kulturkampf zerrieben.
Dabei spricht absolut nichts dagegen, die im Gesetzentwurf angesprochenen Projekte weiter zu fördern, soweit sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Doch hätte es dazu nicht zwingend eines eigenen Gesetzes bedurft. Die meisten dieser Projekte werden bereits im Rahmen des 2014 gegründeten Förderprogramm „Demokratie leben“ finanziell mit über 100 Millionen Euro unterstützt. Es würde reichen, diese Finanzierung langfristig zu sichern, um den Initiativen die nötige Perspektive zu geben.
Der Abwehr demokratiefeindlicher und autoritärer Bestrebungen kommt in dieser Zeit enorme Bedeutung zu. Ebenso wichtig ist aber auch, ein positives Gefühl für den Wert der Demokratie an sich, für gerechtes, faires, am gesellschaftlichen Zusammenhalt orientiertes Denken und Handeln und nicht zuletzt auch das Wissen um demokratische Spielregeln zu fördern. Demokratie lässt sich nicht verordnen, sie lässt sich aber – das hat unsere Geschichte nach 1945 gezeigt – lernen. Ob dabei aber „Demokratieförderungsgesetze“ hilfreich sind, bleibt angesichts dieses unglücklichen Gesetzesvorhabens mehr als fraglich.
WDR3 Mosaik 20. Februar 2024