Ross Thomas: Zu hoch gepokert

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Ross Thomas, Zu hoch gepokert. Ein Philip-St. Ives-Fall. Alexander Verlag Berlin. Aus dem Amerikanischen von Gisbert Haefs. 256 Seiten. 16,90 €

Philip St.Ives, der Poker-spielende und ansonsten völlig unheldische Dandy, gerät bei einem Deal mit Antiquitäten-Dieben in einen Hinterhalt und von da an in große Gefahr. – Die erste vollständige Übersetzung von Gisbert Haefs ist ebenso rasant und bereitet ein diebisches Vergnügen.

Der in Deutschland in den 70er Jahren nur durch verkürzte und verstümmelte Taschenbuch-Ausgaben bekannt gewordene amerikanische Thriller-Autor Ross Thomas wird seit einiger Zeit vom Berliner Alexander-Verlag gründlich rehabilitiert. In hochkarätigen Neuübersetzungen – in diesem Fall von Gisbert Haefs – präsentiert der Verlag das komplette Werk des 1995 verstorbenen Autors neu. Eigentlich ist Thomas von Berufs wegen ein Polit-Thriller-Schreiber, denn bevor er mit dem Schreiben anfing, war er Politik-Berater (u.a. Lyndon B. Johnsons) und all die schmutzigen Tricks, die es in diesem Geschäft gibt, finden sich auch in seinen Thrillern. In der St-Ives-Reihe seines Werkes gönnt er sich eine kleine Auszeit von diesem Geschäft. Denn Philip St.Ives ist ein Poker spielender Dandy und verdient seinen Lebensunterhalt damit, dass er – gegen eine anständige Provision – gestohlene Objekte von den Dieben zurückholt. Dabei gerät er regelmäßig in kriminelle Milieus, in denen zu bewegen ihm allerdings Spaß zu machen scheint. Denn St.Ives ist ein Poker-Spieler und ein Dandy mit nicht alltäglichen Vorlieben, – und insofern das Alter Ego von Ross Thomas, der als Politik-Berater auch die dunklen Seiten des Lebens kennengelernt hat.

Philip St. Ives kommt aus New York nach London, wo auf dem Friedhof von Highgate in einem Grab gleich neben dem von Karl Marx das 3-Millionen-Pfund teure Schwert Ludwigs des Heiligen auf ihn warten soll. Das wurde vor kurzem gestohlen und für eine satte Provision soll St. Ives es seinem Besitzer wiederbeschaffen. Doch statt des Schwertes liegt ein frischer Toter im Grab und im Hotelzimmer wartet jemand von Scotland Yard auf ihn. Der elegante Dandy, Scotch-Trinker und Spieler St.Ives hat „zu hoch gepokert“.

Statt „Zu hoch gepokert“ hieß der Roman in seiner ersten deutschen Übersetzung von 1974 ohne einen Bezug zum Inhalt „Ein scharfes Baby“ und war außerdem noch sinnentstellend um mehr als die Hälfte gekürzt. Die neue Übersetzung von Gisbert Haefs wird dem jetzt erstmals in einer vollständigen Ausgabe auf deutsch vorliegenden Roman dagegen vollkommen gerecht. Mühelos transportiert sie die ironische Grundstimmung der St-Ives-Romane von Ross Thomas und vor allem das Markenzeichen dieses Autors, seinen coolen, lakonischen Stil.

Diese Lakonie hat nichts Aufgesetztes und Manieriertes wie bei vielen anderen hard-boiled-Krimiautoren, sondern passt vollkommen zu dem Milieu, in dem Ross Thomas seinen sympathisch unheldenhaften Helden agieren lässt. Es ist die Welt der Hochstapler und Trickbetrüger, der kleinen Gauner und harten Jungs, die der Philip St.Ives-Erfinder Ross Thomas den Lesern nahebringen kann wie kein zweiter. Da ist es eigentlich egal, wenn am Schluss das Schwert Ludwig des Heiligen auf immer in der Themse versinkt.

WDR 5 Bücher 2. September 2023