Aix-en-Provence ist die Stadt Paul Cézannes. Jahr für Jahr pilgern hier tausende von Verehrern des 1906 verstorbenen Malers an die Stätten, an denen er gelebt und gewirkt hat. Doch neben berühmten Orten wie seinem Atelier am Chemin des Lauves oder dem darüber liegenden „Terrain des Peintres“ mit Blick auf sein Lieblingsmotiv, die Montagne Saint Victoire, gibt es auch weniger oder gar nicht erschlossene Lebens- und Arbeits-Orte Cézannes. Die Bastide, ein Herrenhaus in einem vier Hektar großen, von einer Mauer umschlossenen Park namens Jas du Bouffan zum Beispiel wird seit Jahren in allen Reiseführern erwähnt und ist in jedem Stadtplan von Aix-en-Provence zu finden, – aber zugänglich für den Publikumsverkehr ist beides nicht. Das soll sich bald ändern.
https://www.deutschlandfunk.de/aix-en-provence-mit-dem-enkel-c-zannes-dlf-109e2e6e-100.html
Türglocke Bastide
Das ist vielleicht das erste Mal seit langer Zeit, dass die an der der Rückseite der Bastide befestigte, alte Türglocke betätigt wird. Doch wird niemand öffnen, denn seit vielen Jahren steht das Herrenhaus inmitten des Parks Jas du Bouffan leer.
Pendant 40 ans ça a été un lieu de travail et de réflexion et aussi un cocon pour se protéger parce qu’il etait très sensible et comment souvent on l’aggressait en disant que c’était un très mauvais peintre, qu’il était fou, que … – enfin bon. Je crois que tout le monde le sait, on a prononcé un tas de choses sur ce pauvre homme. Et donc il revenait se protéger dans ce cocon familial où sa mère lui préparait des bons repas et où il retrouvait sa sérénité.
40 Jahre lang, erzählt der 82-jährige Philippe Cézanne, war dieses Haus so etwas wie ein Kokon für den sensiblen Maler. Hierhin zog er sich zurück, als er nicht anerkannt, sogar beschimpft wurde. Hier war seine Familie, hier ließ er sich von seiner Mutter bekochen und fand seine Ruhe. – Die Rede ist natürlich von Paul Cézanne. Philippe Cézanne ist sein Urenkel und weil er Mitglied der Société Cézanne ist, durften wir zumindest in den wunderschönen Park.
Springbrunnen Bastide
Wir stehen neben einem Springbrunnen auf der Rückseite des klassizistisch strengen, anderthalbstöckigen Gebäudes, das, wie das ganze Terrain ringsum, einen sehr gepflegten Eindruck macht. Die Restaurierungsarbeiten im Inneren scheinen in vollem Gang, deshalb können wir aus Sicherheitsgründen nicht hinein. Also erzählt mir Philippe, wie es darin zu Zeiten Paul Cézannes aussah – und was bald damit geschehen wird.
Il a commencé par travailler un peu dans ce grand salon, où il a fait tout autour sur les murs des grandes décorations dont les fameuses Quatre Saisons, qui sont actuellement à Paris au Musée du Petit Palais. Avec – au milieu il y avait un premier portrait de son père en train de lire. Mais toutes ces peintures ont été retirées des murs après la mort de Cézanne par le nouveau propriétaire au fur et à mésure des ans. – On va récréer justement dans ce grand salon l’ambiance qu’il y avait du temps de Cézanne avec des reproductions de toutes les peintures qu’il avait fait sur les murs.
Zunächst hatte er dort drinnen im großen Salon sein Atelier und er begann damit, die Wände mit seinen berühmten Gemälden „Vier Jahreszeiten“ zu schmücken, auch gab es dort ein Porträt seines lesenden Vaters. – Nachdem Paul Cézanne 1899 das Anwesen verkaufen musste, hat der spätere Besitzer die Dekorationsmalereien entfernen lassen. Heute hängen die „Vier Jahreszeiten“ im Musée du Petit Palais in Paris. – Wenn das Gebäude vollständig restauriert ist, wird man auch den Salon mit Reproduktionen der Gemälde wieder so herstellen, dass die Besucher die Atmosphäre von damals nachempfinden können.
Springbrunnen Bastide
Bereits im Jahr 1994 hat die Stadtverwaltung das Herrenhaus aus privatem Besitz erworben. Doch bis vor einiger Zeit fehlten die Mittel, das Gebäude und die Anlage ringsum instand zu setzen. Das Haus war in desaströsem Zustand, die Scheiben zerborsten und es stand teils voll mit Gerümpel des Vorbesitzers. Jetzt aber ist Geld da und es gibt sehr konkrete Pläne für deren Nutzung.
Ça ne sera pas un musée, ça sera plutôt une maison d’artiste. Il y aura au premier étage ou peut-être au deuxième étage des salles qui permetterons de faire des expositions temporaires où il y aura énormément de documents peut-être, parce qu’il sera plus facile ici de présenter des documents. On ne peut pas mettre des tableaux de Cézanne ici, il n’y a pas assez de protection. – La société Cézanne veut créer un centre scientifique en accord avec la ville. On veut créer un centre de recherche Cézannienne.
Keinesfalls wird hier ein Museum entstehen, erzählt Philippe Cézanne, die Ausgaben, um die Gemälde Cézannes zu schützen, wären wegen des vielen Wachpersonals einfach zu hoch. Die Société Cezanne und die Stadtverwaltung von Aix sind sich aber darüber einig, aus der Bastide ein Künstlerhaus und ein wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung des Malers zu machen.
Schritte im Laub & Wasserspeier
Wir entfernen uns ein wenig von der Bastide, kommen an einem flachen Bassin mit Wasserspeiern vorbei, das es schon zu der Zeit gab, als Paul Cézanne hier lebte und das er aus verschiedenen Perspektiven malte.
Oui, dans le parc, après ça, il a peint un peu partout, mais là, vous avez la fameuse «Allée des Marronniers» qu’il a reproduit plusieurs fois, qui était un espèce de „wood“ avec les feuilles des marronniers. – Mais c’est à la mort de son père que vraiment il a peint la maison, presque comme un hommage à son père, quelque part. Mais il l’a peint ici depuis le parc. En fait, le parc lui a servi d’atelier pendant très longtemps, parce qu’il a peint les arbres.
Vor allem aber benutzte er, so erzählt Philippe Cézanne, den umliegenden Park als eine Art Atelier. Er malte die Bastide von hier aus, durch die Bäume hindurch. Und hier malte er auch mehrmals die berühmte „Allée des Marroniers“: In Öl das dichte, Schatten spendende braun-grüne Dach der Bäume über einem ockerfarbenen Parkweg, als Aquarell das gleiche Motiv etwas lichter, im Anschnitt das Bassin. Wenn man heute durch den Park geht, kann man sich gut vorstellen, dass Paul Cézanne hier ganze Nachmittage unter einem Baum verbrachte, ganz so, wie es auch sein Landsmann Georges Brassens später tat und „seinen“ Baum besang, unter dem er glücklich war und den er nie hätte verlassen sollen…
Grillenzirpen
Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, nachdem man über einen engen, steilen Weg eine Anhöhe hinaufgefahren ist, findet man einen weiteren, eigentlich den Lieblingsort des Malers, einen verwunschenen Ort, den Steinbruch Bibémus. Durch ihn führt mich Elodie Marie, eine vom Tourismusamt in Aix-en-Provence beauftragte Führerin.
Die Steine von diesem Steinbruch wurden benutzt, um die Stadt Aix-en-Provence zu bauen, seit der Antike, seit den Römern, bis ins 19. Jahrhundert, bis man entdeckt hat, dass der Stein nicht von so guter Qualität war.
Deshalb ist der Steinbruch seit mehr als hundert Jahren aufgegeben, die meisten der übrig gebliebenen gewaltigen rostrot bis ockerfarbenen Sandsteinquader sind inzwischen von Sträuchern und Bäumen überwachsen. Eher glaubt man, sich in einer einsamen Gebirgs-Waldlichtung wiederzufinden. – Doch ganz alleine ist man hier nicht …
Steinmetzarbeit: Hämmern
Die Leute haben keine Ahnung, dass hier eine Person lebt in einem ehemaligen Steinmetzhaus. Und keiner weiß das! Die Leute kommen, die besichtigen den Steinbruch, wollen eigentlich die cabane, das kleine Haus von Cézanne, sehen und kommen eigentlich dafür.
Well, we both liked the same place, that’ the idea of our connection. But the tradition, that inspires me, is medieval French architecture. And this is why I made the things you see around here. There is a collonade with five arcades in the romanesque style…
Seit vierzig Jahren lebt der kanadische Bildhauer David Campbell hier in einer verlassenen Steinmetzhütte. Er lässt sich sowohl vom Geist Paul Cézannes wie von mittelalterlicher französischer Architektur inspirieren und stellt filigrane romanische Kapitelle her. Wenn er Glück hat, findet er dafür Käufer unter den Touristen. – Die eigentliche Spur und damit den Geist Spur Paul Cézannes aber findet man ein paar Schritte weiter, auf dem Gipfel der Anhöhe.
Cézanne ist eigentlich spät in die Provence zurückgekommen, er war schon 46. Er hat eine Zeit in Paris die Kunst gelernt mit den Impressionisten und er ist zurückgekommen, weil er ist hier groß gewachsen. Und das war seine große Liebe, das war die Landschaft und die garrigue, garrigue ist hier, was man nennt die Mittelmeer-Vegetation. Das heißt eine trockene Vegetation. Und er ist fasziniert in das Licht. Cézanne ist wirklich einer der ersten, er läuft viel, um in der Natur zu malen.
Grillenzirpen
Er kommt hier wegen der Natur, wegen des Lichts, aber auch, weil er viele Erinnerungen hat von seiner Kindheit; er kommt hierher, weil er erinnert sich an seine Kindheit mit Émile Zola, wo er überall als Kind gerannt hat. Also er hat diese Kindheitserinnerungen, er kommt wegen des Lichts wie die Impressionisten – und noch was anderes, der dritte Grund – die Ruhe! Man hört den Wind… Aber man ist allein mit der Natur. Allein mit das Mineral. Das ist wirklich ein Ort, wo das Mineral trifft die Natur – la minéral rencontre la végétale.
Paul Cézanne war fasziniert von den massiven Sandsteinquadern hier inmitten der wuchernden Vegetation, – ein Motiv, das er oft gemalt hat. Einige Reproduktionen dieser Werke auf Keramik-Tafeln finden die Besucher verteilt im Gelände.
Wenn die Leute kommen, können sie es besichtigen; man hat das Werk direkt sur le motiv, also wo er eigentlich gemalt hätte. Man ist sich natürlich nicht hundert Prozent sicher. C’est le rocher rouge, der rote Fels, 1895.
Ein paar Schritte weiter stößt man auf das sauber restaurierte Häuschen, das der Maler um 1895 herum hier gemietet hat und zu dem er von Aix aus Tag für Tag hinaufging. Aus einem einzigen Grund. Von der Terrasse des Häuschens aus hatte er den allerbesten, weil völlig unverstellten Blick auf sein absolutes Lieblingsmotiv: Den dreieckigen Gipfel pique de mouche im ein paar Kilometer entfernt hoch aufragenden Gebirgsrücken Saint Victoire.
Wenn Sie ein bisschen zu mir kommen und Sie sich umdrehen, man sieht, wo Cézanne gemalt hat und den Punkt, die Aussicht, die er hatte. Genau auf die Saint Victoire. Et Cézanne attend à quatre-vent-huit fois, 88 mal hat er die Saint Victoire malen wollen und er hat es auch gemacht. Hier in Bibémus hat er 11 Werke gemalt, Öl-Werke, und 16 Aquarelle.
DLF Sonntagsspaziergang 15. Januar 2023