Oh, leever Jott, jevv uns Wasser. Trinkwasserbrunnen in NRWs Städten

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Wir blicken inzwischen schon auf viele Hitzeperioden und den Anblick auf schweißtriefende und nach Wasser lechzenden Menschen in den Großstädten zurück. Der vergangene Sommer, besonders die Monate Juli und August, brachen alle Rekorde an Dürre, an Temperaturen, an Sommersonnenstunden – und an Toten! Das Statistische Bundesamt gab für diese beiden Monate eine Übersterblichkeit von 12 bzw. 11 Prozent bekannt: Das heißt, dass über 8.000 Menschen pro Monat mehr starben als im Schnitt der Vorjahre. Berücksichtigt man rund 800 Covid-19-Tote pro Monat, bedeutet das, dass mehr als 14.000 Menschen in diesen beiden Monaten der Hitze zum Opfer fielen. – Kühler werden auch die kommenden Sommer nicht und nicht jeder hat unterwegs immer seine Trinkwasserfalsche dabei. Aber wo füllt man sie auf? Jetzt zum ersten Mal scheint das Problem während der diesjährigen Hitzewelle auch der Bundesregierung aufgefallen zu sein. Im August reagierte das Bundeskabinett endlich auf eine schon 2020 erlassene EU-Trinkwasserrichtlinie und forderte von den Kommunen, mehr öffentliche Trinkwasserbrunnen aufzustellen. Geld stellt der Bund allerdings bisher dafür nicht zur Verfügung. – Trotzdem haben viele Städte in NRW bereits Trinkwasserbrunnen aufgestellt. Die werden von den Menschen freudig angenommen, – aber es sind viel zu wenige.

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-freiflaeche/audio-schutz-vor-hitze-zu-wenig-trinkbrunnen-in-nrw-100.html

Joggerin: Ja, ich bin so angegangen! (lacht) Ich bin 10 Kilometer Joggen gegangen und ich wollte jetzt noch weiterziehen. Das bietet sich natürlich hier super an! Ich mach hier immer einen Zwischenstopp und dann mach ich weiter. – Hundebesitzer: Also ich selber benutze ihn nicht, aber der Hund benutzt ihn regelmäßig. Nach jedem Spaziergang jetzt. Das ist die Anlaufstelle. Ich find toll, dass er hier steht.

Toll finden das auch hunderte von Passanten im Kölner Grüngürtel, die täglich diesen Trinkwasserbrunnen zwischen Jahnwiese und Adenauerweiher benutzen. Joggern, Spaziergängern und Hundeausführern steht hiervon April bis Oktober rund um die Uhr Trinkwasser zur Verfügung: Eine einfache Säule, aus der ununterbrochen Wasser fließt. Man braucht nur den Kopf drunter zu halten. Eine willkommene Abkühlung also, wenn es gerade in der Stadt wieder so heiß wird, wie im Hitze-Sommer 2022 – Merkwürdig nur, dass Köln erst vor vier Jahren, 2018, auf die Idee gebracht werden musste, öffentliche Trinkwasserbrunnen zu errichten.

Dass wir uns der ganzen Sache dann intensiver gewidmet haben, das war von einer Schule und von einzelnen Schülern eine Initiative, die haben sich bei der Stadt gemeldet und gefragt: Warum haben wir nicht an mehreren Stellen solche Trinkbrunnen?

Carsten Schmidt von der Rheinenergie, dem stadteigenen Wasserversorger in Köln.

Und daraufhin haben wir dann als Rheinenergie in enger Zusammenarbeit mit der Stadt im Blücherpark und am Skaterpark unten am Rheinauhafen in einem Piloten zwei Brunnen etabliert, die dann auch gute Resonanz erfahren haben. Auf der Basis dieses Piloten ist dann dieses Konzept für die Kölner Trinkbrunnen entstanden, mit dem wir dann diese 12 Brunnen etabliert haben.

Oh, leever Jott, jevv uns Wasser,
denn janz Kölle hät Doosch,
Oh, leever Jott, jevv uns Wasser,
un helf uns en d’r Nut
.

Nicht der liebe Gott, sondern die Stadt hat das Gebet der „Bläck Föss“ aus dem Jahr 1984 erfüllt. 12 öffentliche Brunnen mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser gibt es inzwischen auf Kölner Stadtgebiet. Immerhin. Und zwar nicht nur in Grünanlagen und an Joggerstrecken, sondern auch in der Innenstadt. Zum Beispiel hier, etwas versteckt allerdings, an der mittelalterlichen Eigelstein-Torburg, einem der Hotspots aller Innenstadtbenutzer.

Passant: Ich hab‘ ehrlich gesagt den Brunnen bisher gar nicht wahrgenommen. Der fällt mir jetzt, wo Sie mich darauf hinweisen, erstmals auf. Passantin: Es ist doch gut, wenn er nicht auffällt, weil er das Stadtbild nicht zerstört und man kann trotzdem trinken. Passant: Nachdem wir jetzt vermehrt Wärme oder sogar Hitze haben, glaube ich, ist es für vor allem ältere Leute gut, wenn sie die Möglichkeit haben, auch zwischendurch mal einen Schluck Wasser zu trinken, der eindeutig trinkbar ist. Also die Idee halte ich grundsätzlich für gut.

Im Dortmunder Stadtgebiet haben wir 31 Trinkwasserbrunnen, ungefähr in jedem Stadtteil, vielleicht gibt es in einem Stadtteil auch zwei oder drei. Aber damit sind wir sehr gut aufgestellt in NRW. Da können wir sehr stolz drauf sein. Wir bekommen ein sehr gutes Feedback von unseren Bürgerinnen und Bürgern. In der Regel laufen die Brunnen von O bis O, von Ostern bis Oktober.

Rebecca Alisha von der DEW21, dem Dortmunder Wasserversorger, vor einem dieser Brunnen mitten in der belebten Fußgängerzone der Stadt. 

Dortmund ist tatsächlich der Vorreiter in NRW, was Trinkwasserbrunnen angeht. In der Ruhrmetropole gibt es mehr als doppelt so viele Wasserspender als in Köln, obwohl in Dortmund deutlich weniger Menschen wohnen. Schon in den 1980er Jahren hat man hier mit deren Errichtung begonnen.

Wenn man auf die Standorte guckt, wird schnell klar, dass es Standorte mit viel Durchlauf sind. Wir stehen zum Beispiel gerade hier am Probsteihof, – in der Nähe von Kirchen, häufig auch Marktplätzen, beispielsweise aber auch im Westfalenpark.

Hinter den 31 Brunnen in Dortmund hinken die anderen großen Städte in Nordrheinwestfalen mit bloß 10 Brunnen im Schnitt weit hinterher, – in Essen streitet man sich immer noch um den Bau des allersten Brunnens. Dabei sind die Trinkwasserspender wichtig, um den Menschen in der Stadt bei hohen Temperaturen Abkühlung zu verschaffen. Laut Zahlen des statistischen Bundesamtes hat die jüngste Hitzewelle im Juni und Juli vermutlich mehrere Tausend Tote in Deutschland gefordert. Dass im Zuge von Hitzewellen die Sterbefallzahlen stiegen, sei zwar ein Effekt, der bereits in den Vorjahren beobachtet worden sei – allerdings nicht über einen so langen Zeitraum wie in diesem Jahr, hieß es außerdem vom statistischen Bundesamt Mitte September.

Fachleute kritisieren, dass Deutschland mehr tun müsse, um Hitzetote zu vermeiden. Dazu gehören sicherlich auch Trinkbrunnen. Sie sind nur ein Beispiel, das zeigt, inwieweit es bei der Prävention hierzulande hapert. 

Das ist ja ganz schön schwierig. Wir haben viel mit Kommunen gesprochen und haben versucht, anzuregen, hier und da mal einen Trinkbrunnen zu installieren.

Das sagt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW.

Es ist meistens immer an den Kosten gescheitert, weil die Kommunen natürlich sehr genau abwägen müssen, wofür geben sie in der heutigen Zeit noch Geld aus. 

Aber es ist auch hier wie bei so vielem: Die Bundesregierung stellt Anforderungen – im August noch verlangte das Bundeskabinett angesichts der Hitzewelle von den Kommunen, Trinkwasser an öffentlichen Stellen zur Verfügung zu stellen. Lässt sie dann aber alleine, wie Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW kritisiert.

Also da wäre es wirklich wichtig, dass die Bundesregierung im Rahmen der Klima-Anpassungsmaßnahme auch ein Trinkbrunnen-Programm auflegt, so dass wir da mehr Brunnen im öffentlichen Raum finanzieren können, denn die Kommunen alleine können es nicht. – Das ist ja auch ein Gesundheitsschutz, der sehr, sehr wichtig ist. Also nicht nur Straßenbäume, die Schatten liefern, sondern eben auch der leichte Zugang zu Trinkwasser. Und letztendlich auch eine Maßnahme zur finanziellen Ersparnis. Wenn ich jetzt mit der starken Inflation in der Stadt auch noch für zwei Euro fünfzig eine kleine Wasserflasche kaufen muss, weil ich Durst habe, ist das natürlich auch eine starke Belastung für die anderen Haushalte. Und auch da sind Trinkbrunnen eine prima Entlastung.

Aber, so fragen viele Nutzer, – ist es nicht gleichzeitig auch Wasserverschwendung? Denn alle Brunnenmodelle in NRW sind sogenannte „Dauerläufer“, d.h. das Wasser läuft ununterbrochen, 24 Stunden am Tag.

Dazu muss man erst mal wissen, dass Köln als Stadt in Hinblick auf die Grundwasserneubildung faktische keine Probleme hat, Köln hat keine Mengenprobleme.

Carsten Schmidt von der Kölner Rheinenergie.

Aber dass sie als Dauerläufer gebaut wurden, das hat hygienische und technische Gründe. Hier in Köln: Verteilung des Trinkwassers ohne Desinfektionsmittel, d.h. ohne Chlor und deswegen ist es wichtig, dass das Wasser kontinuierlich fließt, weil es sonst ein höheres Verkeimungspotential hätte als Wasser, was mit Chlor verteilt wird. Und Sie hätten auch den Effekt, dass sich das Wasser in der Zuleitung bei geringer Abnahme gerade in solchen heißen Perioden wie jetzt aufwärmen würde und dann käme das Wasser nicht kühl aus der Leitung, sondern warm und hätte dann sicherlich nicht die Akzeptanz, die von so einem Trinkbrunnen ausgehen sollte.

Dat Wasser vun Kölle es joot,

Dat Wasser vun Kölle es joot,

Dat Wasser vun Kölle,

Dat Wasser vun Kölle es joot.

Gut. Aber da bleibt neben der Kostenfrage – unter 20.000 Euro ist so ein Brunnen nicht zu haben – die der Ästhetik. Schaut man auf die gestalterische Eleganz der Trinkwasserbrunnen in Paris, Zürich oder Wien, müsste man in Köln vor Scham versinken: Vollkommen anspruchslose, anthrazitgraue Edelstahl-Zapfsäulen, an denen man sich tief bücken muss. Dagegen kann Dortmund auch ästhetisch, mit gestalterisch anspruchsvollen Brunnen glänzen.

(Rebecca Alisha) Ja unsere Trinkwasserbrunnen sind von dem Künstler Professor Eberhard Linke gestaltet worden: Über einem Schaft erhebt sich eine Tellerartige Auswölbung wie eine stilisierte Rosenblüte auf ihrem Stengel und deshalb sind unsere Trinkwasserbrunnen alle aus Bronze und gelten als Kunstwerk. Das ist auch das Schöne an der Gestaltung dieser Trinkwasserbrunnen: Die Wasserfontäne kommt zwanzig Zentimeter heraus, d.h. man muss nicht extra mit dem Mund an ein Rohr, das ist besonders hygienisch. Man kann einfach mit dem Mund direkt ans Wasser ran und muss sich nicht irgendwie verkrümmen oder irgendwelche Turnübungen machen.

(Passant Dortmund) Es gibt viel zu wenige davon! Viel zu wenig. Bei dem Wetter. Ich denke mal, ältere Leute. Ich bin auch ein alter Sack, okay, die auch nicht so viel Geld haben, sich irgendwo eine Kleinigkeit zu kaufen. Obdachlose, ältere Leute, Rentner, – es gibt zu wenig.

WDR 5 Neugier genügt, 7. Oktober 2022