In der CSU gibt es Zoff. Parteichef Söder und Landesgruppenchef Dobrindt rügen mit klaren Worten den CSU-Vize Manfred Weber. Der habe während des italienischen Wahlkampfs als Chef der Europäischen Volkspartei die Forza Italia mit Silvio Berlusconi offen unterstützt. Jetzt habe das zum Wahlerfolg der Rechten in Italien geführt, Berlusconi sei der „Steigbügelhalter“ der postfaschistischen Fratelli del Italia, die als Wahlsieger die Regierung bestimmen werden. – Die Unterstützung von Rechtsradikalen aber sei nie die Politik der CSU gewesen. Vielmehr verstehe sie sich als „Brandmauer“ gegen jeden Rechtspopulismus.
„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“, – ein Zitat, das wohl zu Unrecht Mark Twain zugeschrieben wird, das es aber trotzdem in sich hat. Denn immerhin sieht man es oft genug bestätigt. Auf Friedrich Merz‘ „Sozialtourismus“ vom September 2022 beispielsweise reimt sich Markus Söders „Asyltourismus“ vom Oktober 2018 doch recht gut. Auch gemeint ist in beiden Fällen dasselbe: Eine Anbiederung an die hetzerische Rhetorik der fremdenfeindlichen AfD.
Im Landtagswahlkampf 2018 versuchte die CSU mit solchen Sprüchen wie dem des „Asyltourismus“ die AfD rechts zu überholen, – und fiel dabei gewaltig auf die Nase. Sie erlebte den größten Absturz ihrer Geschichte und Markus Söder eine politische „Nahtoderfahrung“, wie er später sagte. Und sie verhalf der AfD als der in diesen Fragen besseren CSU zu einem sensationellen Wahlerfolg in Bayern. Danach ist man dort in sich gekehrt und hat die „Brandmauer“ erfunden, die die Konservativen, allen voran komischerweise die CSU, gegen den Rechtsradikalismus darstellen sollen. An die musste sich Markus Söder jetzt wieder erinnern, nachdem feststeht, dass der CSU-Vize Manfred Weber mitverantwortlich für den Wahlsieg der italienischen Rechtsradikalen ist. Söder hat ihn dafür ordentlich getadelt. Es fragt sich allerdings: Warum erst jetzt?
Denn Weber ist ein Wiederholungstäter. Um an den Vorsitz in der Europäischen Volkspartei EVP zu kommen, hätschelte er ausgiebig die damals noch der EVP angehörige demokratiefeindliche Partei Viktor Orbans, Fidesz. Fidesz schied aber dann aus eigener Einsicht aus der EVP aus. Weber brachte es trotzdem zu deren Vorsitzendem. Dann versuchte er, sich in einem anderen rechten Lager Rückhalt zu verschaffen: Im italienischen Wahlkampf unterstützte er tatkräftig und medienwirksam Silvio Berlusconis „Forza Italia“. Die gehört jetzt zu den Wahlsiegern und hebt die Postfaschisten der „Fratelli d’Italia“ in die Regierung. Scheinheilig rechtfertigte Weber das damit, dass die Forza eine „zutiefst europäische Kraft“ sei.
Doch Weber, der personifizierte Opportunismus, leistete diese Beihilfe vornehmlich wohl aus persönlichen Motiven. Er strebt immer noch den Posten des EU-Kommissionspräsidenten an und braucht in seiner EVP deshalb jeden Rückhalt, auch den von Rechtsnationalen. So bleibt die Frage am CSU-Vorsitzenden Söder hängen: Warum unternahm er nichts gegen seinen Vize Weber, als der sich während des italienischen Wahlkampfes an Berlusconi heranschleimte und damit jetzt der Rechten in Italien zum Sieg verhalf. Reicht die Brandmauer der CSU vielleicht nur bis zu den Alpen? Oder ist sie möglicherweise nichts weiter als eine rhetorische Requisite, die man je nach Bedarf mal rauf und mal runterzieht? In dem Fall böte sich ein weiterer historischer Reim an, nämlich der mit der Schandmauer.
WDR 3 Mosaik 28. September 2022