Die Protestwellen gegen das neue NRW-Denkmalschutzgesetz branden bis heute, zum Tag seiner Verabschiedung, hoch. Fast 25.000 Unterschriften wurden dagegen gesammelt, alle mit dem Denkmalschutz befassten Institutionen und Stiftungen protestieren. Die Bauindustrie und ihre Verbände dagegen jubilieren, denn das Gesetz stellt den Nutzen eines Baudenkmals ziemlich eindeutig über seinen Schutz. Zu baulichen Maßnahmen an Denkmälern muss die zuständige Kommune, also die Untere Denkmalbehörde, fortan keine Erlaubnis mehr erteilen. Die Bauherren müssen deren Vorgaben nur noch „angemessen berücksichtigen“. Vor allem werden die Kommunen in Denkmalfragen kaum mehr durch eine auf Landesebene angesiedelte „Obere Denkmalbehörde“ kontrolliert. Das neue Gesetz atmet nach Ansicht seiner Kritiker also ganz den Geist des FDP-Liberalismus und gibt den Investoren freien Lauf.
Vor ein paar Jahren lebte ich noch in einem denkmalgeschützten schönen Kölner Altbau. Mit der Schönheit war es vorbei, als der neue Besitzer, eine Investorengruppe, eiserne Vorstellbalkone an die Fassade pappen wollte. Wir Bewohner protestierten bei der damaligen Kölner Stadtkonservatorin. Wir glaubten, sie sei für ein unter Denkmalschutz stehendes Haus die richtige Adresse. Es war genau die falsche. Sie erklärte uns schmallippig, dass sie die Balkone nicht wie wir als Verschandelung betrachte, sondern gutheiße. Und zwar mit dem Argument, dass heutzutage in Köln keine Wohnungen mehr ohne Balkon zu verkaufen sind.
Dass die Stadtkonservatoren zu Handlangern der ihnen gegenüber weisungsbefugten Kommunen und damit auch der von den Kommunen protegierten Investoren werden, ist eines der Hauptargumente gegen das neue Denkmalschutzgesetz. Denn es schafft Einspruchsmöglichkeiten gegen Entscheidungen der sog. Unteren Denkmalschutzbehörde, also den Kommunen, weitgehend ab. Nach dem alten Gesetz von 1980 mussten sich die Kommunen in allen Streitfragen mit der Oberen Denkmalschutzbehörde des Landes „ins Benehmen“ setzen. Erst wenn es bei einem Dissens blieb, entschieden die zuständigen Minister bzw. Ministerinnen.
Trotzdem kann man dem neuen Gesetz zumindest etwas Positives abgewinnen: Es könnte langwierige bürokratische Verfahren erheblich verkürzen und gleichzeitig den Kommunen die Entscheidungsbefugnisse zurückgeben, die eigentlich in ihrer Kompetenz liegen. Schließlich sind die Stadtkonservatoren ihren Baudenkmälern näher als ihre fernab residierenden Kollegen von der Landes-Denkmalschutzbehörde. Der springende Punkt ist allerdings die Expertise. Gibt es in den Ämtern der Stadtkonservatoren tatsächlich das bau- und kunsthistorische Wissen, fachgerechte Entscheidungen über Baudenkmäler zu treffen?
Da das in den meisten NRW-Kommunen wohl nicht der Fall ist, müsste die Konsequenz des Gesetzes sein, die Unteren Denkmalschutzbehörden personell besser auszustatten und vor allem fachlich besser zu qualifizieren. Denn nur so lassen sich die Begehrlichkeiten der Investoren abwehren, die NRW-Städte in Verwertungswüsten verwandeln wollen. – Und vielleicht wären mit etwas mehr stadtkonservatorischer Kompetenz auch unserem schönen Altbau die Vorstellbalkone erspart geblieben.
WDR 3 Mosaik 06.04.2022 & WDR 5 Westblick 06.04.2022