Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres gibt es eine aufwendig bunt und schick aufgemachte neue Naturschutzzeitschrift. Das „Magazin für Naturschutz“ nennt sich „Die Kehre“. Sein Vorhaben ist es, die Ökologie aus „ganzheitlicher Perspektive“ zu betrachten. Das heißt, sie will statt der „einseitigen Betonung der Umwelt“ wieder die „Natur“ in den Mittelpunkt stellen und den Menschen „als Teil der natürlichen Prozesse“ mit einbeziehen. Das hört sich sehr anspruchsvoll an. Konkret bedeutet es jedoch eine Rückkehr zur rechten Blut-und-Boden-Ideologie: Naturschutz ist für die meist dem Lager der „Identitären“ zugehörigen Herausgeber und Autoren in erster Linie „Heimatschutz“. Ihr Ziel ist es, den „deutschlandverachtenden Grünen das Thema Natur- und Umweltschutz“ zu entreißen. – Jetzt gibt es die bisher nur übers Abo zu erwerbende Zeitschrift auch am Kiosk. Ein eleganter Mediencoup.
„Im Wesen der Gefahr verbirgt sich die Möglichkeit einer Kehre“, schrieb der dem Nationalsozialismus nahestehende Philosoph Martin Heidegger 1951 in seinem Aufsatz „Die Technik und die Kehre“. Die „Gefahr“, – das ist für ihn die Technik und die mit ihr einhergehende „Entfremdung“ des Menschen. Und die „Kehre“, das ist die Umkehr zu einem früheren, vor-technischen, also vorindustriellen Zustand. – Mit Bedacht haben die der „Neuen Rechten“ zugehörigen Herausgeber ihre „Zeitschrift für Naturschutz“ „Die Kehre“ genannt. Und sich damit programmatisch auf einen nicht nur bloß rückwärtsgewandten, sondern durchweg reaktionären Begriff von Naturschutz festgelegt.
Offensiv wenden sich die Aufsätze in den bisherigen Ausgaben gegen den vermeintlich verengten des Blicks der links-alternativen Ökologiebewegung auf den „Klimaschutz“. „Naturschutz“ ist für sie vor allem „Heimatschutz“, umfasst Themen wie (Zitat) „Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof.“ Björn Höcke, der thüringische AfD-Landesfraktionsvorsitzende warb für das Magazin von der ersten Nummer an und schrieb: (Zitat) „Dass die heimathassenden Grünen das Thema Naturschutz gekapert haben, ohne ihm gerecht werden zu können, ist eine der Tragödien der deutschen Nachkriegsgeschichte.“
Doch allem Anschein zum Trotz ist die „Die Kehre“ keine platte Hetzpostille gegen grüne und gesellschaftskritisch-ökologische Positionen. Die Beiträge thematisieren aktuelle Themen, beschäftigen sich durchaus kapitalismuskritisch mit industrialisierter Landwirtschaft, mit Nachhaltigkeit und Energie, sind seriös aufgemacht und meist so geschrieben, dass die Leser sich nicht gleich ideologisch agitiert fühlen. Erst aufmerksameres Lesen und das gesamte Spektrum der Themen offenbaren das wahre Programm.
Als die „entscheidende Ursache der Umweltkrise“ wird die „Überbevölkerung“ ausgemacht. Und die „Stabilisierung der Weltbevölkerung auf niedrigstem Niveau“ als Gegenmittel propagiert. Eine ganze Ausgabe der „Kehre“ beschäftigt sich mit diesem Thema unter dem Titel „Migration“. Dabei heraus kommt, dass „sichere Grenzen“ der beste Weg gegen „Übervölkerung“ und damit auch bester Heimat- und Umweltschutz sind.
Die sogenannte Neue Rechte hat gewaltig dazugelernt. Sie provoziert nicht mehr nur wie die Alte mit Glatzen, Springerstiefeln und Terror. Sondern verkleidet sich im Gewand von Hochglanzmagazinen, verbirgt sich hinter den Themen, für die sich die umweltbewusste Mitte der Gesellschaft interessiert. Die ökologische Frage dient ihr dabei bloß als Vehikel für den autoritären Umbau der Gesellschaft auf der Grundlage von „Volk“ und „Boden“. Dass sie dazu auch noch Heidegger benutzt, macht die Sache nicht besser. Und dessen Philosophie auch nicht.
WDR 3 Mosaik 21. September 2021