Aus den Antworten des Finanzministeriums auf Fragen des Linken-Bundestagsabgeordneten Matthias Höhn geht hervor, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr 2020 433 Millionen Euro für „externe Beratung“ ausgegeben hat. Das sind 46 Prozent mehr als im Jahr 2019. Aber schon im Jahr 2019 waren diese Ausgaben bereits um 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Keine Mafiageschichte funktioniert ohne den „consigliere“, den Berater des Paten. Im berühmtesten Mafiafilm „Der Pate“ nahm diese Rolle Tom Hagen ein, gespielt von Robert Duvall. Das wichtigste Merkmal Tom Hagens war neben seiner absoluten Loyalität zur „Familie“ die Tatsache, dass er „von außen“ kam, kein Familienmitglied, noch nicht einmal Sizilianer war. Das garantierte nicht nur eine bessere Außendarstellung des Clans, sondern auch einen unvoreingenommeneren Blick auf dessen Geschäfte.
Genau das ist auch das beliebteste Argument derer, die externe Beratung der Politik befürworten, besonders in den Bundesministerien: Die Expertise sogenannter Consultingunternehmen gewährleiste einen Blick über den hausinternen bürokratischen Tellerrand. – Wie es mit dieser Art von Unvoreingenommenheit bestellt ist, offenbarte der Untersuchungsausschuss zur letzten Berateraffäre im Bundesverteidigungsministerium: Die Berater der Consultingfirma Accenture benutzten Büros, Briefköpfe und interne E-Mail-Adressen im Ministerium Ursula von der Leyens. Sieht so neutrale Beratertätigkeit aus? Eher ähnelt das den Methoden der Lobbyisten, die in Ministerien Gesetzesvorlagen schreiben.
Und von welcher Distanz zur „Familie“ kann noch die Rede sein, wenn herauskommt, dass ein hochrangiger Beamter im Verteidigungsministerium mit dem Chefberater von Accenture durch die Patenschaft seiner Söhne verbunden ist? Weitere Parallelen zwischen Mafia und Bundesministerien sind vorerst nicht bekannt. Immerhin sprach der Untersuchungsausschuss Frau von der Leyen von jeder persönlichen Schuld frei. Allerdings erst, nachdem sie auf Staatskosten weitere 80.000 Euro für ihre juristische Beratung ausgegeben hatte.
Stutzig macht auch, wie wenig die Bundesregierung über die genaue Verwendung der Millionen für die Beraterfirmen weiß. Die zuständige Parlamentarische Staatssekretärin musste zugeben, bei den von ihr präsentierten Zahlen seien „Unsicherheiten“, „Unschärfen“ sowie „Lücken“ nicht auszuschließen. All das wirft die Frage auf: Wie verträgt sich die uns bekannte „externe Beratung“ mit der demokratischen Kultur? – Ganz und gar nicht!
Der höchste Posten in der Berater-Rechnung der Ministerien nimmt die „IT-Konsolidierung“, also die digitale Aufrüstung der Mitarbeiter und Organisationseinheiten ein. Das scheint auf den ersten Blick plausibel. Auch dafür geben private Firmen Geld aus. Sie kaufen entsprechende Software oder lassen ihre Mitarbeiter schulen. Warum verfahren die Bundesministerien nicht ebenso, statt sich Berater ins Haus zu holen? Sie verfügen über eine halbe Million, zum Teil wissenschaftlich hoch qualifizierter Mitarbeiter. Traut man denen die etwas kniffligeren Aufgaben nicht zu?
Statt die eigene Verwaltung effizienter zu machen, pumpt die Regierung immer mehr Geld in eine ausufernde „externer Beratung“. Dafür nimmt sie sehenden Auges in Kauf, dass staatliche Entscheidungen über die mit der Privatwirtschaft eng verbundenen Consultants vorbereitet – und damit intransparent, demokratisch nicht mehr kontrollierbar werden. – Was nützt es, den Parlamentariern Lobbyarbeit zu verbieten, wenn man sich die – fürstlich bezahlten – Lobbyisten selbst ins Haus holt?
WDR 3 Mosaik 15.März 2021