Das „Deutsch-polnischenBarometer“ ist eine Umfrage, die seit 20 Jahren gemeinsam von der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und des Warschauer Instituts für öffentliche Angelegenheiten durchgeführt wird. Sie misst mit einer repräsentativen Befragung die Sympathien bzw. Antipathien, die Deutsche und Polen gegeneinander empfinden. Seit Beginn der Studien im Jahr 2000 hat sich die Beziehung zwischen den beiden Nationen kontinuierlich verbessert. So auch jetzt, in der jüngsten Befragung, im Vergleich zu denen in den Jahren 2018 und 2019. Und doch gibt jetzt es einige kleine Widersprüche, die der Aufklärung bedürfen…
„Was hast du eigentlich gegen die Polen?“ „Eine gute Autoversicherung.“ – So lange ist es noch nicht her, dass man in Deutschland über solche und andere Polenwitze laut und herzhaft lachte. Doch die Polen lachten zurück. Auf den deutschen Polenwitz „Machen Sie Urlaub in Polen. Ihr Auto ist schon da“ lautete die Antwort „Fahrt nach Deutschland. Das Vermögen eurer Großeltern ist schon da.“ Womit – natürlich – auf die Plünderung der Polens durch Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkrieges angespielt wurde.
„Natürlich“ deswegen, weil die Urteile und Vorurteile einer Nation über die andere immer durch geschichtliche Erfahrungen geprägt sind. Und die waren auf polnischer Seite nach dem deutschen Überfall 1939 so verheerend negativ, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass ein Pole jemals das Millionenfache Morden der Deutschen würde vergessen können. Das haben und das werden die Polen auch nicht. Und dennoch sind sie zunehmend zur Versöhnung und zur Verständigung bereit. Wie umgekehrt auch die Deutschen immer mehr von ihren Polenfeindlichen Klischees lassen.
Das ist am jüngsten „Deutsch-polnischen Barometer“ abzulesen. Danach verbesserten sich in den letzten 20 Jahren die Meinungen der Polen über Deutschland und die Deutschen wie umgekehrt über Polen und die Polen, zögernd zwar, aber kontinuierlich. Wobei der Unterschied zwischen dem Blick auf die jeweilige Nation und dem auf die Bevölkerung von Belang ist. Denn, so die Verfasser der Studie, paradoxerweise seien die Polen in den letzten beiden Jahren offener für die Deutschen als Individuen, skeptischer aber gegenüber den Deutschen als Nation geworden.
Die Gründe dafür sieht die Studie in der oft deutschfeindlichen Rhetorik der nationalkonservativen Regierung in Warschau. Doch lassen sich davon selbst deren Anhänger – und das sind die meisten Polen – nicht vollständig beeinflussen: Insgesamt halten 72 Prozent der Polen die Beziehungen zu Deutschland für gut – deutlich mehr als vor zwei Jahren.
Und mit einem weiteren Paradoxon wartet die Studie auf: Erstmals seit 20 Jahren zeigen die Deutschen mehr Sympathie für die Polen – nämlich 55 Prozent – als umgekehrt die Polen für die Deutschen – 42 Prozent. Die Autoren der Studie tun sich schwer, den plötzlichen Sympathiesprung im Polenbild der Deutschen zu erklären. Denn der steht in offenbarem Widerspruch zur kritischen Berichterstattung in Deutschland über die demokratiefeindliche Politik der polnischen Regierung. – Dabei liegt die Antwort doch auf der Hand: Die Deutschen haben die Polen in den letzten Jahren besser kennengelernt. Sind mehr ins Land gereist und haben dort nicht die vom Klischee vorgezeichnete „Unordnung“, sondern ein modernes, wirtschaftlich dynamisches Land erlebt. Und selbstverständlich trafen sie dort auch auf sympathische Menschen.
So einfach also funktioniert „Völkerverständigung“? Man begegnet sich gegenseitig unterhalb des Radars staatlicher Politik? Wenn es so einfach wäre. Die Tatsache, dass ausgerechnet die alten „Erbfeinde“, die Franzosen, die größte Sympathie der Deutschen unter allen anderen Nationen genießen, ist wesentlich auf politischeAnstrengungen zurückzuführen. Auf eine systematische, breite gegenseitige Begegnungs- und Verständigungskultur. Die ist in Bezug auf Polen immer noch stark entwicklungsbedürftig.
WDR 3 Mosaik9. Juni 2020