Vor Kurzem beschäftigte sich ein Beitrag in der britischen Zeitung The Guardian mit dem Zustand der konservativen Parteien in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien. Er kam zu dem Ergebnis, dass es sich inzwischen um „Zombie-Parteien“ handele: Angesichts einer schrumpfenden Basis echter konservativer Wähler griffen sie zu immer verzweifelteren und auch illegalen Maßnahmen, um sich an der Macht zu halten.
Schaut man auf das Verhalten einiger von Konservativen geführten Bundesministerien, könnte man bei der CDU ebenfalls die Mutation in eine Zombie-Partei diagnostizieren. Im Bundesverteidigungsministerium werden Daten gelöscht. Kurz bevor ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sie anfordern konnte, um eine von der Ex-Verteidigungsministerin von der Leyen zu verantwortende Korruptionsaffäre aufzudecken. Der Bundesverkehrsminister zeigt einem anderen Untersuchungsausschuss, der seine Mauschelaffäre um die Maut aufklären soll, die lange Nase und verweigert den Abgeordneten und damit der Öffentlichkeit die Herausgabe inkriminierender Akten.
Blickt man zurück auf das dreiste Lügen und Verschweigen des Bundeskanzlers Helmut Kohl in der Spendenaffäre, könnte man meinen, der habe den Grundstein gelegt für ein manchmal gespaltenes Verhältnis der CDU zur Legalität. Doch ist das Misstrauen gegenüber den Bürgern, das von Verachtung kaum zu unterscheiden ist, seit jeher schon, seit Bismarck, eine Spezialität des deutschen Konservatismus. Die langjährige Kanzlerschaft Konrad Adenauers strotzt von Beispielen mangelnder Aufrichtigkeit gegenüber der Öffentlichkeit und einer hinter staatstragender Rhetorik gut versteckten Legalitätsverachtung. Davor waren sozialdemokratische Regierungen zwar auch nicht gefeit. Aber ein solches Bubenstück wie Kohl hat selbst ein mit allen Wassern der Vetternwirtschaft gewaschener Gerhard Schröder sich nicht geleistet.
Natürlich liegt noch eine gewaltige Distanz zwischen der CDU und dem Zombie-Zustand der republikanischen Partei in den USA. Doch attestieren Politologen dem deutschen Konservatismus, der sich in der CDU parteipolitisch inkarniert, eine wachsende Erschöpfung. Stichwort: Die „Sozialdemokratisierung“ der Partei. Tatsache jedenfalls ist, dass sowohl der Wählerschaft wie den Funktionären allmählich der Begriff davon abhanden kommt, was denn eigentlich „konservativ“ ist. Konservativ zu sein, war immer schon schwer, denn der Konservative kommt immer zu spät: Er will das Bestehende retten, wenn es im Vergehen begriffen ist. – Und wer will jetzt, heute noch sagen, was rettenswert ist?
Für Politiker wäre das an erster Stelle natürlich die Macht. Vielleicht ist es ein Zufall, dass ausgerechnet konservative Minister die ihre mit illegalen Mitteln erhalten wollen. Aber sicher kein Zufall ist, dass die neue CDU-Vorsitzende „AKK“ sich nach der Veröffentlichung des CDU-kritischen Rezo-Videos mit dem Vorschlag einführte, in Zukunft digitale Medien zu reglementieren, also zu zensieren. Damit setzte sie nicht das einzige Signal dafür, dass ihr eine autoritäre Ausrichtung des deutschen Konservatismus vorschwebt. Die Distanz zu den Zombie-Republikanern schrumpft.
WDR 3 Mosaik 23.Dezember 2019