Nach jahrelangem Sparen erhöhte die Bundeswehr den Etat für ihre Militärmusikkapellen von 6,5 Millionen auf 10 Millionen. Inzwischen unterhält die Bundeswehr 16 Militärkapellen, hatte seit 2014 2.000 öffentliche Auftritte. Die jüngste Wieder-Gründung ist die des Musikkorps in Wilhelmshaven, das in Zunft das Auslaufen unserer stolzen Flotte begleiten wird.
„Wenn das deutsche Volk auf den Marktplätzen wieder Militärkonzerte hört“, versprach Konrad Adenauer im Jahr 1955 seiner CDU, „dann wird es nächstes Mal schon richtig wählen und ganz gewiss auch dafür sein, dass wir wieder Militär bekommen.“ Ganz so ist dann nicht gekommen. Die Wiederbewaffnung Deutschlands geschah gegen die massiven Proteste aus der deutschen Bevölkerung. Adenauer musste eine raffinierte Gegenpolitik organisieren, die Gegner seiner Militärpolitik mit rigiden Kampagnen diffamieren, setzte auf die blanke Angst vorm Dritten Weltkrieg. Und lockte eben mit Marschmusik.
Oberst Wolf von Baudissin, der zu einem der Gründer der Bundeswehr wurde, war übrigens strikt gegen den Plan Adenauers, das Volk mit Marschmusik zu betören. Zum einen aus ästhetischen Gründen. Er war musikalisch. Zum anderen aber misstraute er dem dumpfen Hurra-Patriotismus, für den die Märsche der Militärkapellen stehen. Baudissin war es nämlich, der den Begriff des „Bürgers in Uniform“ zur Geltung brachte. Und der stand für die Idee, unter der das deutsche Militär dann schließlich doch irgendwie seinen Frieden mit der antimilitaristischen Bevölkerungsmehrheit machte: Kein Staat im Staat wie die Wehrmacht. Sondern eine Parlamentsarmee, über die allgemeine Wehrpflicht überdies eng mit dem Volk verbunden.
So ganz können die Deutschen aber immer noch nicht ihr Militär ins Herz schließen. Die Erfahrung von zwei vom preußischen Militarismus mit verschuldeten Weltkriegen sitzt tief. Die Abschaffung der Allgemeinen Wehrpflicht, verbunden mit dem Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee hat die Beziehung auch nicht wärmer werden lassen. Am liebsten sehen die Deutschen ihre Soldaten, wenn sie beim Deichbruch Sandsäcke schleppen. Bei deren Auslandseinsätzen aber bleiben sie auf skeptischer Distanz.
Die Wiederbelebung der Militärkapellen der Bundeswehr ist eine der vielen aktuellen PR-Maßnahmen, mit denen das kühle Verhältnis der Deutschen zu ihrem Militär bearbeitet werden soll. Die verstärkte Präsenz von Uniformierten per Freifahrtschein in der Bundesbahn oder bei Öffentlichen Gelöbnissen gehören ebenso dazu wie die irreführenden Werbekampagnen der Bundeswehr mit Film-Clips und Plakaten. An denen lässt sich das Dilemma, in das die Idee vom „Bürger in Uniform“ inzwischen hinein manövriert wurde, am besten ablesen: Sie suggerieren, als sei ein Militäreinsatz ein tolles Computerspiel oder eine nette Pfadfinderaktion.
Für wie blöd halten uns diese militärischen PR-Strategen eigentlich? Wollen sie uns tatsächlich mit solchen verdrucksten Botschaften und wieder mal mit Bumm-ta-ta auf den Marktplätzen davon überzeugen, dass Deutschland seiner „internationalen Verantwortung“ nachzukommen hat? – Die Wähler sind mündige Erwachsene. Und haben einen Anspruch darauf, genau darüber aufgeklärt zu werden, dass die „Stabilisierungseinsätze“ und „Friedensmissionen“ der Bundeswehr im Ausland nichts anderes als Kriegseinsätze sind. Und dass es im Krieg ums Töten und Getötetwerden geht. Nur das Wissen darum machte die Entscheidung für oder wider einen „Auslandseinsatz“ zu einer ehrlichen Entscheidung.
WDR 3 25. November 2019