Einer der ersten Vorschläge der neuen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer war, dass es mehr öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr geben solle.
Zu dem, was man dem 1813 verstorbenen preußischen Heeresreformer Gerhard von Scharnhorst als Verdienst anrechnet, gehört, dass er das Adelsprivileg für Offiziere abschaffte und die allgemeines Wehrpflicht einführte. Seitdem durften sich nicht nur Berufssoldaten sondern alle jungen Männer für Preußens Gloria totschießen lassen. In Deutschland ist die allgemeine Wehrpflicht inzwischen abgeschafft. Nicht aber das ehrende Andenken an den preußischen General. An seinem Geburtstag, dem 12. November, traten 1955 die ersten Freiwilligen der eben gegründeten Bundeswehr vor ihren Kasernen an. Er gilt als der Gründungstag der Bundeswehr. Deshalb finden die meisten der durchschnittlich 150 öffentlichen Gelöbnisse der Bundeswehr eben an diesem Tag statt.
Der Vorschlag der neuen Bundesverteidigungsministerin, noch weit mehr dieser Gelöbnisse zu veranstalten, erfährt nahezu parteiübergreifend breite Unterstützung: Damit würde die Bundeswehr öffentlich sichtbarer, rücke mehr in die „Mitte der Gesellschaft“ und erfahre damit auch die Anerkennung, die sie verdiene. – Das klingt nun so, als besäße die Bundeswehr in der deutschen Bevölkerung kein sonderlich hohes Ansehen. Was nicht der Fall ist. Obwohl die Mehrheit der Deutschen nach wie vor pazifistisch und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gegenüber kritisch eingestellt ist. Allerdings sehen sie deutsche Soldaten am liebsten bei Katastropheneinsätzen im Inland. Ansonsten waren und sind im Unterschied etwa zu Frankreich Militäruniformen in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit ein Fremdkörper. Distanz zu militärischer Präsenz und vor allem zu militärischer Präsentation gehört sozusagen zur DNA der Bundesrepublik.
Dies zu ändern, ist offenbar die Absicht hinter dem Vorschlag der neuen Bundesverteidigungsministerin. Es scheint fast so, als solle den Deutschen das Militärische wieder nahe gebracht werden. Wozu sonst soll es gut sein, die Öffentlichkeit vermehrt an Ritualen teilhaben zu lassen, die in erster Linie der Integration junger Soldaten in die militärische Gemeinschaft, also der Unterwerfung unter das System von Befehl und Gehorsam dienen? Zwar verpflichtet der Diensteid des Gelöbnisses die Soldaten darauf, das „Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Davon, dass diese Freiheit am Hindukusch zu verteidigen ist, ist im Eid allerdings nicht die Rede.
Man muss also die Forderung nach stärkerer öffentlicher Präsenz des Militärs im Zusammenhang mit der schwachen und schwankenden Legitimation der Auslandseinsätze der Bundeswehr sehen. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung: Je mehr sich die Truppe in der Öffentlichkeit zeigt, desto eher gewöhnt die sich dann an den Gedanken, dass Deutschland seine Interessen weltweit durchsetzen muss. Militärisch, versteht sich.
WDR 3 Mosaik 30.Juli 2019