Nach einem turbulenten Wochenende ist die 26. Ausgabe der renommierten Jahresausstellung in der Leipziger Baumwollspinnerei abgesagt worden. Hinter-Grund war die Teilnahme des Künstlers Axel Krause an dieser Ausstellung. Im vergangenen Jahr hatte sich seine Galerie von diesem Künstler getrennt, weil er sich in mehreren posts als AfD-Anhänger geoutet hatte. Dies nahmen nun einige seiner mit ausstellenden Kollegen zum Anlass, beim Vorstand des Vereins Leipziger Jahresausstellung gegen seine Teilnahme zu protestieren. Darauf zog der Vorstand zunächst Krauses Teilnahme zurück. Da sich daraufhin aber andere teilnehmenden Künstler für die „Freiheit der Kunst“ und für die Teilnahme Krauses einsetzten, kam es zu schwerwiegenden Divergenzen im Vorstand des Vereins. Der trat gestern komplett zurück und setzte die Ausstellung ab.
Ein wichtiger Text des 20. Jahrhunderts zur Kunst stammt von Roland Barthes und heißt „Der Tod des Autors“. Barthes begründet darin eine radikale Trennung zwischen Künstler und Werk: Die Person des Künstlers ist völlig unerheblich für sein Werk. Nicht der Autor, sondern der Leser erschaffe beim Lesen den Text. Übertrüge man diese These auf Filmschaffende wie Roman Polanski und Kevin Spacey, Musiker wie Michael Jackson und Richard Wagner und Maler wie Picasso und Balthus, hätte man sich viele aufgeregte Diskussionen sparen können. – Lässt sie sich aber auch auf den Maler Axel Krause übertragen?
Nun spielt Axel Krause bei weitem nicht in der Picasso-Liga. Keines seiner Bilder schaffte es bisher – Indiz für den Rang eines Künstlers – in eine maßgebliche überregionale institutionelle Sammlung. Sieht man einmal davon ab, dass die Artothek des Deutschen Bundestages kürzlich ein Krause-Bild erwarb. Das tat sie auf Anraten des Kunstbeirats des Deutschen Bundestages, dem der AfD-Abgeordnete Marc Jongen angehört. Und: Nachdem sich seine Galerie von ihm getrennt hatte, weil er sich in seinen facebook-posts als Sympathisant der AfD outet. Das sorgte für einen ersten Wirbel, erhöhte Krauses Bekanntheit und schuf das Fundament für den Eklat um die jetzt abgesagte Leipziger Jahresausstellung.
Weder Krauses Rauswurf aus der Ausstellung noch die Auflösung des ausstellenden Vereins haben etwas mit Kunst und dem Verhältnis von Künstlerpersönlichkeit und Kunst zu tun. Krauses Werk ist politisch neutral, seine persönlichen politischen Ansichten für die Bewertung seiner Kunst absolut irrelevant. Es ist ein rein politischer Fall und ein sprechendes Beispiel für die Instrumentalisierung der Kunst zu politischen Zwecken.
Die auf die Exklusion des Künstlers folgenden Aktionen bis zur panischen Selbstauflösung des Trägervereins der Ausstellung waren politisch motiviert, falsch und zu kurz gedacht. Überdies spielt sie dem Rechtspopulismus in die Hände. Das zeigt auch Axel Krauses Reaktion auf die Ausschließung, in der er sich zynisch auf eine Stufe mit den „entarteten“ Künstlern der Nazizeit stellte. Er folgt damit einem bewährten Muster rechter Politik: Wer auf Kritik stößt, geriert sich als Opfer einer angeblichen „Gesinnungsdiktatur“. – Und die AfD-Kulturpolitik will, was Kunst ist, selbst bestimmen: In Leipzig stellt sie die Freie Szene pauschal unter Extremismusverdacht, im mittelsächsischen Freiberg lässt sie im dortigen Theater politische Diskussionen verbieten.
Jetzt, nachdem die AfD bei der Europawahl in Sachsen mit einem erdrutschartigen Sieg über 25 Prozent der Stimmen gewonnen hat, wächst die Angst vor ihrem Einfluss auch in der Kulturpolitik. Die Auflösung der Vereins Leipziger Jahresausstellung kann man als Indiz dieser Angst deuten. Angst ist kein guter Ratgeber. Angst macht dumm. Auf dumme Gegner hat die AfD gewartet.
WDR 3, Resonanzen 03.06.2019 & WDR 5 Scala 04.06.2019