Darf man fürs Töten und Sterben werben? Natürlich nicht. Vor allem nicht bei Jugendlichen. Insofern haben die Berliner Sozialdemokraten recht. Sie verabschiedeten am Wochenende auf ihrem Parteitag einen Antrag, nach dem die Werbung der Bundeswehr in Schulen verboten werden soll. Aber werben die „Jugendoffiziere“, die die Bundeswehr in deutsche Schulen schickt, wirklich fürs Töten und Sterben? Natürlich tun sie das nicht. Insofern haben die Bundespolitiker – darunter auch jene der SPD – ebenfalls recht, wenn sie sich jetzt über die Berliner Genossen aufregen und ihnen vorwerfen, die Parlamentsarmee durch den Vorwurf, sie betreibe Kriegspropaganda, zu desavouieren. Die Bundeswehr hat ein vom Verfassungsgericht bestätigtes Recht, über ihre Arbeit zu informieren. Und das darf sie auch in Schulen. 70 haupt- und 270 nebenberufliche sogenannte Jugendoffiziere halten dort bundesweit jährlich tausende von Vorträgen vor Jugendlichen. Und zwar nur, wenn sie von den jeweiligen Schulen dazu eingeladen worden sind.
Das Problem jedoch, auf das die Berliner Genossen aufmerksam machen, ist: Wo sind die Grenzen zwischen Information und Werbung? Und zieht die Bundeswehr sie sorgfältig genug bei ihren Informationsveranstaltungen vor Jugendlichen? Wenn der Jugendoffizier in der Aula einer Berufsschule einen sachlichen Vortrag über den Sinn der Auslandeinsätze der Truppe gehalten hat, wartet vor der Schule oft ein Bus, in dem ein sogenannter Karriereberater der Bundeswehr sitzt. Der erklärt den zuvor informierten Schülern, welche Chance sie in der Bundeswehr haben, die ihnen immerhin über einhundert Ausbildungsberufe anbietet und am Ende gar eine Verbeamtung in Aussicht stellt.
Selbstverständlich ist das keine „militärische Propaganda“ und auch noch keine „Verharmlosung der realen Gefahren eines militärischen Einsatzes“ wie es im Berliner SPD-Parteitagsantrag heißt. Doch weitet man den Blick auf die sonstigen, gerade auf Jugendliche zielenden Werbekampagnen der Bundeswehr, bekommt deren „Informationspolitik“ einen etwas herberen Geschmack. Im letzten Jahr verbreitete sie eine waffenstarrende und testosteronschwangere Action-Serie namens „Kämpfe nie für dich allein“ über ihre Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte KSK. Die Clips waren und sind immer noch bei Whatsapp und Youtube abrufbar. Ähnlich, mit Plakaten in der Anmutung von Egoshooter-Spielen, tritt sie bei der Computerspiel-Messe Gamescom auf. Man müsse sich halt bemühen, „auf das Radar der jungen Leute zu kommen“, rechtfertigt sich das Verteidigungsministerium.
Die Bundeswehr hat ein Rekrutierungsproblem. Sie ist offenbar kein attraktiver Arbeitgeber. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass sie ihre Werbekampagnen deshalb ausgerechnet auf Menschen in einem Alter abstellt, die weder Auto fahren noch wählen dürfen. – Aber wäre es nicht eine sehr viel bessere Werbung für sie, wenn sie nicht auch anderweitig endlich für positivere Schlagzeilen sorgte?
WDR 3 Resonanzen 02.04.2019