Zu Janoschs Geburtstag hat der Merlin-Verlag ein prachtvolles Buch herausgebracht: „Janosch. Leben und Werk.“ Das widmet sich vor allem dem Künstler, dem Maler und Zeichner Janosch, der hinter dem Kinderbuchautor manchmal zu verschwinden droht. – Janosch. Leben & Werk. Zusammengestellt und herausgegeben von Marie Thiriet und Marc Bastet. Merlin Verlag. 239 Seiten. 38 Euro.
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Meine beiden Kinder, als sie noch ziemlich klein waren, wurden einmal sehr krank. Masern. Mit der Komplikation Lungenentzündung. Weil wir sie in einer Krabbelgruppe hatten, in der es ein idiotisches Impftabu gab. Und wir so idiotisch waren, in der Hammelherde mit zu trotten. Der Weg führte ins Krankenhaus. Da kämpften die beiden Tage lang um ihr Leben. Als das Fieber runter ging, ihre Augen und ihre anderen Sinne wieder klarer wurden, gab es etwas, was sie dann ganz zurück ins Leben brachte.
Einmal kam der kleine Tiger aus dem Wald gehumpelt, konnte nicht mehr gehen nicht mehr stehen und fiel um. Legte sich unterwegs, mitten auf der Wiese, einfach auf die Erde. Sofort kam der kleine Bär gelaufen und rief: „Was ist Tiger, bist du krank?“. „Oh ja, ich bin so krank“, rief der kleine Tiger, ich kann fast nichts mehr bewegen.“ „Halb so schlimm“, sagte der kleine Bär, „ich mach dich gesund.“
Zwei oder drei Millionen mal mindestens haben meine Frau und ich unseren Kindern die Geschichte vorlesen müssen. Und dann waren sie gesund. Wie am Schluss des Janosch-Buchs „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“ auch der kleine Tiger wieder gesund ist. Gehätschelt und gepflegt nicht nur von seinem Freund, dem kleinen Bären, sondern auch von der ganzen harmonischen Gemeinschaft, in der beide leben, der Tante Gans, der gelben Ente und am Schluss vom Doktor Brausefrosch.
Janoschs Bücher besitzen eine schier unglaubliche Heilkraft. Weil in ihnen die Welt heil ist. Weil sie übersichtlich und in ihr alles in Ordnung ist. Weil es dort Freundschaft und Fürsorge gibt. Und sonst noch all das, was Kinder sich von der Welt wünschen.
Janosch: Ich hab’ eigentlich dieses ganze Leben aufgewendet, um die Kindheit zu vergessen. Da war einerseits die Kirche, da war der Vater, der einen bedroht hat. Mein Vater war ein Säufer. Der hatte zu Hause ein Hundepeitsche, um mir das beizubringen, was er für richtig hielt, prügelte auch meine Mutter und sie wieder mich. – Und ich versuch in den Geschichten ein Immunsystem aufzubauen, das Kinder gegen ihre Eltern widerstandsfähig werden. Ich geb’ denen die Gartenzwerge, die sie später als Wurfgeschosse benutzen können.
Janosch wurde 1931 in einer Bergarbeitersiedlung des oberschlesischen Hindenburg als Horst Eckert geboren. Nach dem Ende des Krieges zieht die Familie in den Westen. Janosch, der damals noch Horst heißt, arbeitet in einer Textilfabrik. Er will Maler werden. Zieht nach München, wird dort an der Akademie der Bildenden Künste wegen „mangelnder Begabung“ abgelehnt.
Janosch: Ich hab das denen ja nicht übel genommen, sie hatten ja recht. Ich hätte mich als Schüler auch nicht gewollt. Erstens bin ich Querulant, zweitens unfähig, linkisch. Was sollen die mit mir anfangen? Ich suchte einen Job, und da sagte mir jemand, so beiläufig, in einem Café: Mach doch mal ein Kinderbuch. Und ich dachte, ein Kinderbuch zu machen ist ganz leicht, weil es ja für Kinder ist.
So einfach, das sieht er bald ein, ist das aber nicht, ein Kinderbuch zu machen. Er muss noch einiges lernen. Sein erster Verleger, Georg Lentz, rät ihm zum Künstlernamen Janosch, bei dem es dann bleibt, und veröffentlicht seine ersten drei Kinderbücher. Aber Erfolg hat er damit nicht. Der kommt erst im Jahr 1978 mit seinem dann weltberühmten „Ach wie schön ist Panama“. Hier hat Janosch den Stil als Maler und Texter gefunden, der ihn so einmalig macht: Die etwas zittrigen Konturen seiner meist rundlichen Figuren füllt er mit kräftigen Aquarellfarben aus und platziert sie in eine idyllische ländliche, aber niemals kitschige Welt. Seine einfachen Botschaften erwecken bei Kindern wie Erwachsenen gleichermaßen ein Gefühl von Geborgenheit und Glück.
»Uns geht es gut«, sagte der kleine Tiger, »denn wir haben alles, was das Herz begehrt, und wir brauchen uns vor nichts zu fürchten. Weil wir nämlich auch noch stark sind. Ist das wahr, Bär?« »Jawohl«, sagte der kleine Bär, »ich bin stark wie ein Bär und du bist stark wie ein Tiger. Das reicht.«
Bis zum vorletzten Jahres erfreute Janosch die Leser des Zeit-Magazin mit seiner „Herr Wondrak“-Kolumne. Das waren die wunderbar gezeichneten und hintersinnigen Lebensweisheiten eines schnauzbärtigen dicken Herrn in einer gelb-schwarz gestreiften Latzhose. Gleichsam die Mut spendende Fortsetzung seiner Kinderbücher für Erwachsene.
Wie werden Wünsche wahr? – Indem man sich erst jetzt das gewünscht hat, was heute eintraf. Zum Beispiel Regen. Und gestern wünschte Wondrak sich, dass heute heute ist. Und heute istheute.
Zwischendurch gab er die Kolumne auf. Heute meldet er sich im Zeit-Magazin mit neuen Arbeiten zurück. Wir wussten doch, da kommt noch was. – Ob Janosch unsterblich ist? Natürlich ist er das. Zumindest der in unseren Herzen. Und es ist großartig, dass der andere, der heute neunzig Jahre alt wird, eine Zukunft noch vor sich hat.
WDR 5 Scala 11. März 2021